anders gefragt: wo ist die grenze, ab der klipp und klar gesagt werden muss: ohne uns! (bzw. mich)?
und komme mir niemand mit "musik (bzw. der esc) ist doch unpolitisch" - das ist eine weltsicht, die in den meisten fällen die grenze zur ignoranz schlicht platt macht.
so wie das bisherige jahr (und auch das letzte) in aserbaidschan verlaufen ist, könnte es entweder dazu kommen, dass das land 2012 entweder innenpolitisch so massive probleme hat, dass eine durchführung eh illusiorisch wird, oder aber das regime zieht unter dem motto "spiele statt brot (und freiheit)" nochmals eine heile-welt-fake-show ohnegleichen auf, für die sich der esc besonders gut eignet.
und mir scheint, dass hierzulande kaum jemand über die zustände wirklich bescheid weiß:
"reporter ohne grenzen":
und ein langer artikel aus dem eurasischen magazin bietet detaillierte einblicke in die verhältnisse im land, die keinen vergleich mit bspw. etlichen arabischen oder (nord-)afrikanischen staaten scheuen brauchen:(...) "Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die steigenden Repressionen der aserbaidschanischen Regierung gegen kritische Medienmitarbeiter. Insbesondere oppositionelle Journalisten und solche, die über die pro-demokratischen Proteste in dem vorderasiatischen Land berichten wollen, müssen mit Übergriffen oder Einschränkungen bei der Ausübung ihrer Arbeit rechnen.
Zuletzt eskalierte die Gewalt gegen Medienschaffende bei den Demonstrationen am 2. April in Baku: Dutzende Journalisten wurden daran gehindert, die Proteste aus der Nähe zu beobachten und mit den oppositionellen Demonstranten in Kontakt zu kommen. Einige Pressevertreter wurden festgenommen und ein Journalist für mehrere Stunden gekidnappt. Es ist der zweite Fall von Entführung eines Journalisten innerhalb von zwei Wochen in Aserbaidschan." (...)
*(...) "In einer solchen von Unfreiheit geplagten Gesellschaft fühlt sich jeder, ungeachtet seiner politischen Zugehörigkeit, in die Ecke gedrängt. Das Regime wendet sich mit allen Mitteln gegen die Versammlungsfreiheit und erstickt jede politische Bewegung im Keim. Trotz der Mitgliedschaft im Europarat zählt Aserbaidschan zu den Ländern mit den größten Einschränkungen, was die Versammlungsfreiheit anlangt. Bislang wurden sogar Aktionen untersagt wie das gemeinsame Zeitungslesen im Stadtzentrum, das sich so harmlose Ziele steckt, wie Menschen in ihrer sozialen Verantwortung aufzuklären. Sogar solche Gemeinschaftsaktionen wurden mit roher Polizeigewalt auseinander getrieben." (...)
ich muss sagen, dass mein verhältnis zum esc grundsätzlich schon immer distanziert war, und lediglich lena hat einen grund dafür dargestellt, dass ich dieses event mehr als sonst seit dem letzten jahr verfolgt habe. eine durchführung in aserbaidschan unter den oben geschilderten bedingungen eines autoritären staates jedoch überschreitet in mehrfacher hinsicht nicht nur meine eigenen toleranzgrenzen, sondern würde auch - einmal mehr - den popanz von freedomanddemocracy, den nicht nur dieser staat hier ständig vor sich herträgt, als lächerliches und inhaltsleeres gebilde kennzeichnen.
man könnte natürlich auch die these vertreten, dass es sich bei so einer veranstaltung mit all ihrer medialen aufmerksamkeit auch um eine gelegenheit für die dortige opposition handelt, aufmerksamkeit zu erzielen. im angesicht der oben dargestellten beispiele für das wesen des regimes befürchte ich jedoch eher einen zustand, der rund um den esc mit dem wort friedhofsruhe zu bezeichnen wäre, bei einer gleichzeitigen inszenierung für die zuschauende welt.
und ich muss ernsthaft sagen, dass mich grundsätzlich jeder und jede teilnehmer/-in 2012 in aserbaidschan, der/die dort im wissen der verhältnisse schweigt, ziemlich anwidern wird. und mich würde sehr schwer interessieren, ob lena erstens dieses wissen besitzt, und ob sie zweitens daraus für sich konsequenzen ziehen würde. das sehe ich durchaus als erste ernsthafte probe für einige derjenigen eigenschaften, für die nicht nur ich sie schätze.
ps: ich mache das als eigenes thema auf, weil ich die befürchtung habe, dass das unter "allgemeines" zu sehr untergehen würde. und weil es aus meiner sicht durchaus eine eigene diskussion verlangt.