Pünktlich um 20:00 Uhr startete ein Video auf der riesigen Videowand. Zu sehen war eine Frau von hinten, die sitzend in einer Düne am Meer hinaus auf ein Watt und das noch etwas entfernte Wasser blickt. Schreie von Seevögeln und Strandgeräusche von Wellen und Wind begleiteten das Video akustisch ziemlich laut. Um 20:20 Uhr verfärbten sich die Wolken über dem Meer blutrot und Roger Waters betrat mit seinen Musiker die Bühne. Die erste Hälfte des Konzertes bis zur Pause verlief, abgesehen vom Schluss, eher konventionell. Viele alte Pink-Floyd-Titel dabei.
Nach einer Dreiviertelstunde ging es mit den großen Klassikern los: „Wish You Where Here“ und „The Happiest Days of Our Lives“, das direkt mit „Another Brick in the Wall, Pt. 2“ verschmolz. Bei dem Song erschienen 12 Gestalten auf der Bühne, in orangefarbenen Overalls und mit schwarzen Stoffhüllen über dem Kopf – ein Anblick, der durch Pressefotos von Guantánamo-Häftlingen bekannt ist. Nach etwa zwei Minuten streiften die Gestalten die schwarzen Hüllen vom Kopf und darunter kamen überraschend 12 Kinder bzw. junge Jugendliche zum Vorschein. Etwas später entledigten sie sich auch der Overalls und auf ihrer schwarzen Kleidung darunter stand in großen weißen Buchstaben „RESIST“. Danach bewegten sich die Kinder choreografisch einstudiert zur Musik, sangen den Refrain „We don't need no education, we don't need no thought control“ und tanzten am Ende fröhlich dem Publikum zuwinkend von der Bühne. Das sah alles sah alles sehr perfekt aus. Waters bedankte sich in deutsch bei den Kindern. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden habe. Ich meine, er habe gesagt, die Kinder kämen aus Hamburg und stehen zum ersten Mal auf dieser Bühne. Das wäre eine interessante Idee, die Choreografie bei jedem Konzert neu mit Kindern vom Ort einzustudieren. Aber den Aufwand stelle ich mir ziemlich groß vor, denn ich denke, dass die Proben einige Zeit in Anspruch nehmen und Wochen vor dem Konzert geplant sein müssen.
Nach einer Stunde Spielzeit gab es zwanzig Minuten Pause, in der politische Statements in knackig roter Schrift auf der großen Videowand erschienen. Es ging um Meinungsfreiheit, Unterdrückung, Waffenlobbyismus, Kriegstreiberei und anderes. Einige Personen wurden namentlich angeprangert, darunter Putin, Trump, Orbán, Le Pen, Sebastian Kurz, Nigel Farage und Mark Zuckerberg. Gegen Ende der Pause ertönten laute Alarmsignale, rote rotierende Warnlichter leuchteten auf und der Sound von vorbeifliegenden Hubschraubern wurde von Lautsprechern, die im oberen Bereich der Halle angebracht waren, ziemlich echt und bedrohlich wiedergegeben.
Zu Beginn des zweiten Teils senkte sich eine schmale Plattform von der Decke herab, die in Längsrichtung des Saals von der Bühne bis zum hinteren Bereich des Innenraum reichte. Ein paar Meter über den Köpfen der Besucher angekommen, wuchs überraschenderweise ein riesiges Modell des Londoner Battersea-Kraftwerks aus dem Nichts – so schien es – in die Höhe. Bekannt ist es vom Animals-Album (das einzige, dass ich mir damals in den 70ern kaufte). Das Modell bestand aus Leinwänden, auf die das Bild des Kraftwerks ganz perfekt projiziert wurde. (Und mir wurde nun klar, warum beim Saalplan der Barclaycard Arena die hinteren Sitze mit „Eventuell zeitweise eingeschränkte Sicht“ gekennzeichnet waren.) Der zweite Teil des Konzertes war zeitweise sehr politisch orientiert. Die Inhalte aus der Pause wurden aufgegriffen, und besonders Trump bekam sein Fett weg. Peinliche Zitate von Trump wurden auf die riesigen Leinwände des Kraftwerks projiziert. Ebenso sein verfremdeter und mit anderen Körpern collagierter Kopf. Auch das berühmte fliegende Schwein kam herein. Die eine Seite zeigte Trump mit Dollarzeichen über den Augen, die andere zeigt das Schwein als eine Art Spardose mit den Aufschriften „PUT TAX $$$ HERE – PIGGY BANK OF WAR – BOMBS AND DEATH COME OUT HERE“.
Eine Licht-Show beendete das Konzert: Im Innenraum des Saals zeichnete gebündeltes Licht die Kanten einer Pyramide nach. Farbige Lichtstrahlen spielten mit der Geometrie – sicherlich in Anlehnung an das Pink-Floyd-Cover von The Dark Side of the Moon.
Hier meine Schnappschüsse:
https://www.irista.com/gallery/j4xvusx9mkx8