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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 04.02. - LML ist nicht die Ikone der Unbedarftheit



juppmartinelli
05.02.2011, 00:05
Es gibt einen neuen Beitrag im Blog (http://www.daily-lena.de/kategorie/blogartikel/) von Lenaisten e.V.:

LML ist nicht die Ikone der Unbedarftheit (http://www.daily-lena.de/2011/02/04/lml-ist-nicht-die-ikone-der-unbedarftheit/)

Ist wieder was länger geworden... :seufz: sorry! Mit Dank an bates, Walter Sobchak und gauloises, und an alle Foristen (und das sind nicht wenige), deren Beiträge hier mich angeregt und belehrt haben. :respekt:

Im Blog selbst gibt es keine Kommentarmöglichkeit, deshalb freuen wir uns über Diskussionen hier! :)

Melanie
05.02.2011, 00:13
Mensch Jupp, ich kann meine Gefühle für deinen wundervollen Text gar nicht in die großen Worte fassen, die du verwendest. Nur soviel: Verbreite ihn bitte auf so viel Internetseiten wie möglich.

Der Felix
05.02.2011, 00:33
Ein brillanter Text der es sowas von auf den Punkt bringt. Ganz großes Kino. Danke!!

pLENArium
05.02.2011, 00:34
@juppmartinelli: :Schild good post: :respekt: (alles andere wäre schon mehr als verwunderlich ;))

...ich kann mich mit der offensichtlichen Metamorphose der Lena Meyer-Landrut mehr als anfreunden. Ihre konsequente Weiterentwicklung zu einer bodenständigen und ernstzunehmenden Künstlerin ist in der doch meist so armseligen deutschen Medienlandschaft mehr als begrüßenswert. Ich zumindest habe in dieser Woche keine herumhüpfende, sich hart freuende, und vor lauter Übermut manch chaotisches Zeug stammelnde Lena erwartet, sondern genau die gefestigte, selbstsichere und hochwertige Künstlerin am Montag auf der Bühne gesehen, an die ich eigentlich von Anfang an geglaubt habe. Daher empfinde ich die Reaktion von manchen Verantwortlichen mehr als verwunderlich, den unaufhaltsamen Prozeß der künstlerischen Persönlichkeitsentwicklung zu kritisieren. In was für einer Scheinwelt leben solche Personen eigentlich ? - Es besagt bestenfalls für meine Auffassung, daß solche Amtsträger definitiv nicht in der Lage sind, für die essenzielle Materie (für die sie eigentlich verantwortlich sind) prinzipiell keinerlei fachkundiges Verständnis aufzubringen.

Melanie
05.02.2011, 00:40
Wer die Sommerauftritte aus Skandinavien in Erinnerung hat, der wird merken, dass da auch nicht mehr die unbedarfte USfO- oder ESC-Lena auf der Bühne stand, sondern eine ernstzunehmende Künstlerin, die gerade das Publikum in Schweden schwerst begeistert hat.

Muenzi
05.02.2011, 00:47
Wollte heute eigentlich nichts mehr posten, aber der Artikel ist so treffend. Er spricht mir aus dem Herzen. Manche Aspekte habe ich vorher noch nicht so deutlich gesehen. Vor allem die ethische Haltung Stefan Raabs. Meist wird die Titelverteidigung bei den Kritikern ja als Ausbeutung Lenas oder blankes Geschäftskalkül dargestellt.

Eine Anregung habe ich noch. Ein wenig zu kurz kommt mir, was denn "das Beste" ist, dass man "verpassen wird, wennman nicht offen für Neues von Ihrer Seite ist."

Ich bitte auch um möglichst weite Verbreitung dieses hervorragenden Beitrags. Wie wäre es, den an dpa oder an größere Zeitungen zu schicken? Als ernst zu nehmende Meinungsäußerung eines Fanclubs haben wir auf Grund der hohen Qualität des Beitrags sicherlich Veröffentlichungschancen.

Jupp, und die Mitschreiber, macht weiter so!!

Ach ja. Ich bin stolz und glücklich einem Forum und einem Verein mit solchen Ansichten anzugehören.

DJ Berti
05.02.2011, 00:47
Danke an jupp und auch, wie ich lese, an bates, Walter Sobchak und gauloises.

Dieser Text ist ein absolutes Highlight im Lena-Jahr 2011. Ganz grosses Kino. Und ich ahne schon, dass er von irgendeiner Presse zitiert wird.

Super !

simon
05.02.2011, 01:08
Mensch Jupp, ich kann meine Gefühle für deinen wundervollen Text gar nicht in die großen Worte fassen, die du verwendest. Nur soviel: Verbreite ihn bitte auf so viel Internetseiten wie möglich.

Nichts da, soetwas gibt es nur exklusiv bei uns und bei den lenaisten ;)
Ja, da gucken sie, die Journalisten und Redakteure, auch hier wird kein Blatt vor den Mund genommen. Wirklich gut geschrieben, ich freue mich, von dir zu lesen, jupp!

FloMG
05.02.2011, 01:10
:clap: schön geschrieben und gut zu lesen http://www.lenameyerlandrut-fanclub.de/forum/images/smilies/Daumen rauf01.gif

Lars
05.02.2011, 01:11
Schöner Artikel. Ein Feixen über die treff. Spitzen gegen den (besser: gegen einzelne im) ARD-Programmbeirat blieb da bei mir nicht aus.
Dennoch reizt er zur Kritik.
Ein paar Fragen drängen sich beim Lesen auf, weil das Wesentliche nur angedeutet wird und manchem vielleicht ganz entgeht:

Das Ergebnis von DSDS, anderen Casting-Shows und USFO wird nahezu gleichgestellt: es ist das Produkt "Star", das sich von der ihn darstellenden ursprüngl. Persönlichkeit unterscheidet. Im einen Format wird es künstlich erschaffen, im anderen bildet es sich selbst. Im einen Format wird der Mensch verbogen, im anderen verbiegt er sich womöglich selbst. Wo ist also der Unterschied, wenn sich das Ergebnis so gleicht? So könnte man fragen. Auch könnte man fragen, warum einem denn nun der Castingstar von USFO länger interessieren sollte als einer der "Superstars" von DSDS.
Aber beides gleicht sich natürlich nicht. Und das finde ich etwas unterbetont im Artikel. Lena ist kein Kunstprodukt und entwickelt sich auch nicht von selbst dahin. Sie entwickelt sich als Künstlerin und bleibt dabei vor allem doch sie selbst, sie spielt eben keine "Rolle" und verbiegt sich auch nicht. Das ist ein wesentlicher Unterschied, der fehlt mir etwas.
Es heißt zwar, es ginge im Falle Lenas um Musik, aber dennoch wird mir dann zu sehr die Person Lena als Ausgangspunkt des Zaubers in den Vordergrund gestellt anstelle der Leistung, die sie erbrachte und erbringt. Für mich waren das Drumherum bei USFO, Lenas "Natürlichkeit", die "verdammte Axt", das "Hussa", das "Olé, olé" immer nur die Schokostreusel auf dem Sahnetörtchen, ihr Aussehen waren allenfalls die 18 (Deko-)Kirschen. Das Sahnetörtchen selbst war und ist die Leistung auf der Bühne, die Interpretation der Songs. Und das löste den Zauber aus.

Weiter finde ich den Begriff der Naivität oder Unbeholfenheit ohnehin zweifelhaft und zu hinterfragen. Lena war nie so unbedarft, auch nie unbeholfen, ganz im Gegenteil. Wenn auch teilweise unbewusst, so konnte sie ihre "Waffen" von Anbeginn immer erfolgreich und gekonnt einsetzen. Sie war dabei unverstellt, also natürlich, aber sicher nicht "naiv" im heutigen Wortsinne.

Auch dem DSDS-Teilnehmer fehlt übrigens die ihm zugesprochene "ungeschützte Unbedarftheit". (Nur nebenbei wäre es auch nicht der einzige Popularitätsfaktor, man sollte ihm den Faktor des musikal. Talents nicht absprechen, wie klein oder groß der Anteil auch ist). Der Castingteillnehmer ist schon beim ersten Auftritt dem Zwang zur Verstellung oder zumindest Überzeichnung tatsächl. Eigenschaften unterworfen. Bereits das erste (veröffentl.) Casting ist inszeniert und manipuliert. Man weiß de facto nicht, was echt ist. Es ist nahezu "scripted reality" und von Anbeginn in Rollen gepresst: der Schöne, der Nachdenkliche, der Schrille, etc. Natürlich ist da nichts. Eine Unbedarftheit wird womöglich ausgenutzt, zu sehen ist indes ein Kunstprodukt.

marvin
05.02.2011, 01:17
Besser hätte man es nicht schreiben können. Daher kann ich dazu jetzt auch gar nichts mehr hinzufügen oder kommentieren, sonder einfach nur ein ganz großes Lob aussprechen.

support4lena
05.02.2011, 01:32
Wie sagte der Klitschko in dem Werbespot über Tolstoi? Schwäre Kost! :D
Mal wieder ganz großes Kino und viele Punkte, über die ich erst mal nachdenken muss.
:thumbsup:

Grombold
05.02.2011, 01:36
Klasse Blog, hab ich jetzt grad erst gesehen. Kann man die Anregungen von Lars noch mit einbauen? die find ich nämlich auch gut.

support4lena
05.02.2011, 01:39
Klasse Blog, hab ich jetzt grad erst gesehen. Kann man die Anregungen von Lars noch mit einbauen? die find ich nämlich auch gut.

Das sei dem Autor überlassen. :)

Karoshi
05.02.2011, 01:44
Ach herrlich.
Ich hatte ja, wie wohl viele, das sichere Gefühl, dass die harsche Kritik an dem USFD zu Grunde liegenden Gedanken falsch ist.
Aber das so auf den Punkt zu bringen, und dann obendrein noch diejenigen, welche zynisch und verlogen diese negative Haltung in die Medien transportieren so gekonnt mit Argumenten festzunageln. Ein Traum.
Ich weiss warum ich mich so gefreut hab, dass Du hier wieder aktiv geworden bist.
Herzlichen Dank.


Raab hat sich geweigert, ein Jahr nach LML einen neuen Star zu suchen, und hat dies als „ethisches“ Erfordernis charakterisiert. Diese Haltung ist vielfach gar nicht verstanden worden.

Ich muss gestehen, dass auch ich jetzt erst kapiert habe, dass die Begriffe "moralisch und ethisch", die Raab in der PK in Köln verwendet hat nicht einfach so dahergesagt waren. Land auf Land ab und auch hier wurde das in der Tat als völlig überzogene Formulierung wargenommen. Auch von mir. Völlig zu Unrecht, wie mir gerade klargeworden ist.

devdev
05.02.2011, 01:51
Sehr guter Kommentar juppmartinelli .Danke.


Zitat von Lars : " Es heißt zwar, es ginge im Falle Lenas um Musik, aber dennoch wird mir dann zu sehr die Person Lena als Ausgangspunkt des Zaubers in den Vordergrund gestellt anstelle der Leistung, die sie erbrachte und erbringt. Für mich waren das Drumherum bei USFO, Lenas "Natürlichkeit", die "verdammte Axt", das "Hussa", das "Olé, olé" immer nur die Schokostreusel auf dem Sahnetörtchen, ihr Aussehen waren allenfalls die 18 (Deko-)Kirschen. Das Sahnetörtchen selbst war und ist die Leistung auf der Bühne, die Interpretation der Songs. Und das löste den Zauber aus."


Ganz meine Meinung. Und Lena ist tough ,sie ist sehr tough.

DJ Berti
05.02.2011, 02:39
wie wäre es eigentlich mit etwas Werbung für den Block und den e.V....?

könnte man ja mal so als verlinkte email an BP senden oder so...

Nur so ein Gedanke, den man hier zur Diskussion aufgreifen könnte.

Economist
05.02.2011, 05:03
Ein wunderbarer Beitrag, Jupp, der nicht nur aufgrund des gewählten Titels in der Tradition Deines wegweisenden Artikels vom Mai 2010 steht!

Ich unterschreibe eigentlich jeden Satz. Eigentlich deshalb, weil ausgerechnet der Begriff "Unbedarftheit", der einem schon in der Überschrift entgegenspringt, auf eine falsche Fährte führt. Da bin ich ganz bei Lars. Synonyme für "unbedarft" sind dumm, schlicht, einfach, leichtgläubig, usw., erst in zweiter Linie auch natürlich, unerfahren, arglos.

Viel besser, auch Deiner Intention entsprechend, wäre der vom ARD-Programmbeirat verwendete Begriff "Unbefangenheit". Nur bin ich im Gegensatz zu letzterem überhaupt nicht der Meinung, Lena hätte diese im Laufe der letzten 12 Monate "verloren". Denn "Unbefangenheit" ist auch das Ergebnis einer bewußten Entscheidung - nämlich die, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, grundsätzlich ohne Arg zu sein, sich nicht zu verstellen, und die Art der eigenen Reaktion davon abhängig zu machen, wie irgendwelche Anmutungen von außen mit dem inneren Kompaß bewertet werden. Das funktioniert logischerweise nur, wenn man eine so gefestigte und in sich selbst ruhende Persönlichkeit wie Lena ist, nicht jedoch bei im wirklichen Sinn "naiven" Kandidaten, wie sie zumeist bei Musik-Casting-Shows auftauchen.

Ich stimme also Lars völlig zu, daß Lena nie unbeholfen oder naiv war, sondern schlicht natürlich, "sie selbst" eben. Und das ist sie heute noch genauso wie am Anfang. Deshalb scheitert bei ihr ja jeder Versuch, sie zum Kunstprodukt zu machen. Es ist überhaupt kein Widerspruch, wenn Lena durch das Sammeln von Erfahrung und die Herausbildung von Routine in Dingen der Musikbranche nach einem Jahr ein anderes Außenbild vermittelt, als das im Februar 2010 der Fall war. Wer also sozusagen dem "kindlichen" Element Lenas verfallen war, diesen bisweilen "verrückten" Verhaltensweisen, der spürt natürlich - wie anscheinend einige ARD-Programmbeiratsmitglieder - einen Verlust, wenn Lenas Bemühen, als ernsthafter Künstler Anerkennung zu finden, zu einem Rückgang solcher spontanen Verrücktheiten führt. Das nimmt man Lena dann übel, im Stile enttäuschter Liebe, und schon ist der Vorwurf im Raum, sie spiele ja jetzt nur eine Rolle. Das ist nur konsequent, wenn man das frühere Verhalten Lenas als „echt“ empfunden hat.

Dementsprechend hat Lars völlig recht, wenn er auch im Falle der DSDS-Teilnehmer ihnen die Eigenschaft der „Unbedarftheit“ abspricht. Der Unterschied zu Lena ist nur, dass hier die Rolle von Anfang an Programm ist, von den Machern des Casting-Formats ihnen aufgestülpt. Die Kandidaten lassen wiederum das mit sich machen, weil ihnen entweder der innere Kompaß fehlt, der für eine Haltung notwendig ist, oder sie wissen genau, worauf sie sich einlassen (sie sind eben gar nicht unbedarft), und sie stricken gerne am Kunstprodukt mit, weil sie sich davon Geld und Ruhm erhoffen.

Wo ich mit Lars nicht ganz konform gehe, ist bei der Frage, was denn Lenas „Zauber“ anfangs ausgemacht hat. Natürlich war stets ihre Leistung bzgl. der Musik, also ihre Präsenz auf der Bühne und ihre interpretatorischen Fähigkeiten, wichtig. Aber Lena sagt selbst (beispielsweise in dieser NDR-Doku mit Aufnahmen vom Februar 2010: youtube.com/watch?v=gaNUqTgPtjg), dass es viele andere Menschen gibt, die „gesanglich hundert mal besser sind als ich“. Deshalb ist für mich die Person Lena doch das Entscheidende für ihre Attraktivität für so viele Menschen. Dies beziehe ich jedoch ausdrücklich NICHT auf die gelegentliche Verrücktheit und Spontaneität, die offenbar so einige ARD-Programmbeiratsmitglieder damals an Lena fasziniert hat, oder äußerliche Attraktivität (die sicherlich auch eine Rolle spielt), sondern auf ihre Persönlichkeit in ihren ernsthaften Aspekten. Auch wenn verrückte Sprüche in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund gestanden haben mögen, so bin ich überzeugt, dass das, was neben Lenas Bühnenpräsenz die Menschen tief drin wirklich beeindruckt hat – und noch immer beeindruckt – die konsequente Ausrichtung ihres Verhaltens an ihren Werten ist. Es ist diese Haltung in des Wortes wahrster Bedeutung, die die meisten Menschen wohl an sich selbst schmerzlich vermissen, weil sie feststellen, dass ihnen die innere Stärke dafür fehlt, die an Lena bewundert wird. Auch hier erkennt sich das Publikum selbst wieder, nur im Gegensatz zur Melodramatik der DSDS-Welt nicht in der Art, wie es seine eigene Realität wahrnimmt, sondern in der Art, wie es gerne sein möchte. Jupp, Du hast es schon im Mai 2010 geschrieben: „Wenn das Mittelschichts-Bürgertum LML liebt, dann nicht deswegen, weil sie genauso ist, wie es selbst, sondern weil es sich heimlich danach sehnt, ganz anders zu sein, als es ist.“

Daher, lieber Jupp, kann ich Lena in keiner Phase ihres öffentlich bekannten Lebens mit dem Begriff „Unbedarftheit“ assoziieren, sondern nur mit Ausdrücken wie „Unbefangenheit“ oder „Unbekümmertheit“. Was machen wir also mit dem Titel Deines Beitrags, der trotz der Verneinung ja impliziert, Lena sei zumindest in der Anfangsphase ihrer Karriere „unbedarft“ gewesen? Im Grunde müsste man affirmativ sagen: „LML ist die Ikone der Unbefangenheit“ (also ohne „nicht“). Das betont mir allerdings diese Eigenschaft zu sehr, und außerdem klingt wohl jeder Satz mit dem Wort Ikone zu pathetisch. Am ehesten würde wohl „LML ist die Ikone der Authentizität“ passen, aber es erscheint mir halt zu schwülstig. Ich bin offen für Vorschläge.

Zum Schluß möchte ich aber hier die wunderbaren Schlussworte Deines Artikels wiederholen, welches ein Plädoyer darstellt gegen das „Einfrieren“ einer Person in ein Korsett enggefasster Erinnerungen und für das Mitwachsen mit dessen Entwicklung: „Man liebt einen Menschen nicht, indem man ihn zwingt, ständig so zu bleiben, wie er war, als man ihn das erste Mal sah, sondern indem man sich darauf freut, mit ihm gemeinsam zu erleben, was aus ihm wird.“

Lena hätte es nicht besser sagen können! :wub:

Rolwin
05.02.2011, 09:12
Beinahe hätte ich in der morgendlichen Eile den Beitrag überlesen. Das wäre unverzeihlich gewesen!

Einer meiner Hauptgründe mich in diesem Forum anzumelden war, was passiert in der Zukunft mit dieser außergewöhnlichen Künstlerin. Was machen die Medien, die Gesellschaft, die begleitenden Personen aus ihr...es ist einfach spannend, neben ihrer tollen Musik das zu begleiten.

Danke..Jupp

bates
05.02.2011, 10:47
@Economist: Was den Titel betrifft, bin ich in anderer Meinung. Setze ihn doch mal analog zu jupps altem Artikel - Lena war ja auch nie "bürgerlich". "Lena ist nicht die Ikone der Unbedarftheit" sagt nicht, dass Lena früher unbedarft war, sondern er dass ihr dieses Etikett angeheftet wurde - ein Etikett, das ihr nie stand! -, dass von ihr erwartet wird, dieses Etikett zu behalten, und dass dieser Anspruch entschieden zurückgewiesen wird! Der Titel ist genau richtig so, er muss bleiben.

Was die Unbedarftheit / Natürlichkeit von DSDS & Co.-Castingstars betrifft, bin ich allerdings bei Lars (das hatten wir auch schon in der internen Diskussion), dort taucht allenfalls unter den diversen Role Models auch mal "das natürliche Mädchen" auf, das ist dann aber eben nur eine Rolle.

Economist
05.02.2011, 12:24
@Economist: Was den Titel betrifft, bin ich in anderer Meinung. Setze ihn doch mal analog zu jupps altem Artikel - Lena war ja auch nie "bürgerlich". "Lena ist nicht die Ikone der Unbedarftheit" sagt nicht, dass Lena früher unbedarft war, sondern er dass ihr dieses Etikett angeheftet wurde - ein Etikett, das ihr nie stand! -, dass von ihr erwartet wird, dieses Etikett zu behalten, und dass dieser Anspruch entschieden zurückgewiesen wird! Der Titel ist genau richtig so, er muss bleiben.

Der Titel sagt für sich genommen ja auch nichts Unwahres, aber er passt mMn halt nicht wirklich zum Inhalt des Artikels. Natürlich bezieht sich jupp, wenn er von "Unbedarftheit" spricht, auf ein Etikett, das Andere Lena fälschlicherweise angeheftet haben. Aber es geht hier ja nicht um die Frage, wie Lena im Februar 2010 war, sondern um Lenas Anrecht darauf, sich unabhängig von solchen Bildern, die sich Andere von ihr machen (ob nun zu einem bestimmten Zeitpunkt zutreffend oder nicht), sich weiterzuentwickeln. Genau das sagst Du ja auch hier. Nur müßte der Titel dann dieses Thema der Freiheit, sich nach eigenen Maßstäben und Zielen entwickeln zu können, besser reflektieren. So wie er jetzt ist, geht es um eine Zustandsbeschreibung, die weder früher noch heute zutreffend ist ("Unbedarftheit"). Jupp ging es aber nicht darum, diese Zustandsbeschreibung zu widerlegen, denn er impliziert schon, daß Lena sich in ihrem "Naturzustand" (also vor dem Ereignis Castingshow) ähnlich wie die DSDS-Kandidaten unbekümmert, naiv, unbedarft verhalten habe, nur daß USFO bzw. Stefan Raab diesen Zustand nicht zur Schaffung eines Kunstprodukts ausgenutzt hat, sondern Lena den Raum gegeben hat, sie "zu einer ernst zu nehmenden Sängerin wachsen zu lassen" und "ihren Erfolg gerade nicht auf der Mumifizierung des naiven Zaubers aufzubauen, der allem Anfang innewohnt, sondern auf einem Prozess der musikalischen Weiterentwicklung und der persönlichen Reifung." (zitiert aus jupps Artikel)

Jupps Fokus in seinem Artikel ist auf der Förderung der Weiterentwicklung, also auf einem Prozess, und nicht auf der Beschreibung eines Zustandes. Inhaltlich bin ich da 100% auf seiner Linie. Nur führt halt der Titel, wie gesagt, auf eine falsche Fährte, da er dem Leser suggeriert, es gehe um einen Zustand, noch dazu um einen, der scheinbar wirklich mal existierte (in diesem Punkt ist Jupp nicht ganz klar, inwieweit er dieses Etikett zumindest für die USFO-Zeit doch als angemessene Beschreibung empfindet - im Gegensatz zu Dir und mir).

Der Titel sollte die Zurückweisung des Anspruchs, einem aufgeklebtem Etikett weiterhin zu entsprechen, reflektieren, denn dies ist Jupps eigentliches Thema. Es war wohl zu reizvoll, den Titel an seinen wegweisenden Artikel vom Mai 2010 anzulehnen. Aber Lena ist nicht nur keine "Ikone der Unbedarftheit", sondern sie war es eben auch nie. Insofern plädiere ich für einen gänzlich anderen Titel, so in Richtung "LML und die Einmaligkeit des Urknalls" (das ist jetzt noch nicht der Weisheit letzter Schluß, etwas Besseres fällt mir momentan nicht ein). Das Thema ist Entwicklung/Reifung, nicht Zustand.

cyberscout
05.02.2011, 12:51
Vielen Dank für den wie gewohnt lesenswerten Beitrag!

Die Zwitscherer unter uns könnten den Link doch mal auf ihre Verfolger loslassen. Ich habe bisher noch nicht das Tag #lenaisten gefunden ;)

Grombold
05.02.2011, 13:51
Economist: Wo ich mit Lars nicht ganz konform gehe, ist bei der Frage, was denn Lenas „Zauber“ anfangs ausgemacht hat. Natürlich war stets ihre Leistung bzgl. der Musik, also ihre Präsenz auf der Bühne und ihre interpretatorischen Fähigkeiten, wichtig. Aber Lena sagt selbst (beispielsweise in dieser NDR-Doku mit Aufnahmen vom Februar 2010: youtube.com/watch?v=gaNUqTgPtjg), dass es viele andere Menschen gibt, die „gesanglich hundert mal besser sind als ich“. Deshalb ist für mich die Person Lena doch das Entscheidende für ihre Attraktivität für so viele Menschen. Dies beziehe ich jedoch ausdrücklich NICHT auf die gelegentliche Verrücktheit und Spontaneität, die offenbar so einige ARD-Programmbeiratsmitglieder damals an Lena fasziniert hat, oder äußerliche Attraktivität (die sicherlich auch eine Rolle spielt), sondern auf ihre Persönlichkeit in ihren ernsthaften Aspekten. Auch wenn verrückte Sprüche in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund gestanden haben mögen, so bin ich überzeugt, dass das, was neben Lenas Bühnenpräsenz die Menschen tief drin wirklich beeindruckt hat – und noch immer beeindruckt – die konsequente Ausrichtung ihres Verhaltens an ihren Werten ist. Es ist diese Haltung in des Wortes wahrster Bedeutung, die die meisten Menschen wohl an sich selbst schmerzlich vermissen, weil sie feststellen, dass ihnen die innere Stärke dafür fehlt, die an Lena bewundert wird. Auch hier erkennt sich das Publikum selbst wieder, nur im Gegensatz zur Melodramatik der DSDS-Welt nicht in der Art, wie es seine eigene Realität wahrnimmt, sondern in der Art, wie es gerne sein möchte. Jupp, Du hast es schon im Mai 2010 geschrieben: „Wenn das Mittelschichts-Bürgertum LML liebt, dann nicht deswegen, weil sie genauso ist, wie es selbst, sondern weil es sich heimlich danach sehnt, ganz anders zu sein, als es ist.“
Ein sehr guter Beitrag, möchte ich erstmal sagen, aber gerade diesen Punkt kann ich nicht unwidersprochen stehen lassen.
Was hat wen an Lena warum lenafiziert.
Ich würde mal sagen unter dem gewaltigen Bereich an Themengebieten ist dieses Thema die Büchse der Pandora. Hat man sie einmal geöffnet, bekommt man sie nicht mehr zu.
Ich für meinen Teil bin schon lange dazu übergegangen davon auszugehen, daß jeder Einzelne seine ganz individuellen, für mich oft nicht nachvollziehbaren, Gründe dazu hat.
Natürlich könnte man anfangen alle auf Schubladen zu verteilen und, auch wenn es hier und da mal ein bischen klemmt und hakt, würde man wohl mit der Zeit alle unterbringen. Aber irgendwie würde man der Sache doch nicht gerecht werden.

Ich kann da natürlich nur für mich sprechen:
Zum Charakter: kann ich sagen, daß mir kein Charakter vertrauter ist wie mein eigener. Und da ich bei Lena viele übereinstimmungen in Haltung oder Humor, respektvollem Umgang oder moralischer Festigkeit, oder was auch immer erkenne, kann ich sagen, das es für mich nichts ungewöhnliches ist. Ja, in jeder hinsicht beachtenswert, lobenswert und ehrbar, aber nicht aussergewöhnlich, eher vertraut. Das hat mich bestimmt nicht geflasht.

Zum Aussehen: Da ich im Moment nicht liiert bin, kann ich da ganz offen sein und feststellen, daß meine Schwester einfach noch besser aussieht :D. Energisches Kinn, Grübchen, Stubsnase, braune Augen, Haarfarbe und Frisur, eine frappierende Ähnlichkeit. Da ist man in gewisserweise 'abgehärtet'. Ausserdem steh ich auf grüne Augen. Nee, das ist es definitiv nicht.

Bleibt für mich nur die Musik als erkennbarer Grund. Ihr unangepasster Gesang, ihre unverwechselbare Stimme, ihre interpretatorisches Talent, ihre performerischen Fähigkeiten - oder kurz, all das, was in der Summe 'Lena, die Künstlerin' ausmacht.

juppmartinelli
05.02.2011, 17:01
@ alle: Danke für Eure Zustimmung... :hartfreu: Jupp = 100 Millionen kleine Hundebabies ;).

Allerdings ist es wie immer furchtbar mit Euch... die Arbeit, einen kleinen Artikel zu verfassen, ist nichts dagegen, sich mit Euren klugen Einwänden auseinanderzusetzen.
http://www.lenameyerlandrut-fanclub.de/forum/images/smilies/104.gif Danke für die Arbeit, die Ihr Euch macht. Super! :clap: Ich versuche, dem gerecht zu werden.

Fangen wir mal hiermit an:

Auch dem DSDS-Teilnehmer fehlt übrigens die ihm zugesprochene "ungeschützte Unbedarftheit". (...). Bereits das erste (veröffentl.) Casting ist inszeniert und manipuliert. Man weiß de facto nicht, was echt ist. Es ist nahezu "scripted reality" und von Anbeginn in Rollen gepresst: der Schöne, der Nachdenkliche, der Schrille, etc. Natürlich ist da nichts. Eine Unbedarftheit wird womöglich ausgenutzt, zu sehen ist indes ein Kunstprodukt.

Völlig richtig, in diesem Sinne hatte auch bates schon interveniert. Ich habe auch nichts anderes sagen wollen, obwohl das vielleicht immer noch nicht deutlich genug ist. Aber genau deshalb habe ich geschrieben, die Charaktere der Kandidaten in Casting-Shows seien das Resultat einer "Inszenierung" und würden für das Publikum in diesem Sinne "zurechtgemacht und präsentiert". (Dennoch ist natürlich das ganze Setting der Castingshow darauf ausgerichtet, den Moment eines Zusammenbruchs der Selbstkontrolle der Kandidaten zu erzwingen, so lange zu quälen, bis die Tränen oder der Zornesausbruch echt und ununterdrückbar sind, und dann draufzuhalten. Es sind ja genau diese Momente der Wahrhaftigkeit, nach denen sich Fernsehmacher die Finger lecken - um sie dann wieder auszustaffieren und zu verkaufen. )


Das Ergebnis von DSDS, anderen Casting-Shows und USFO wird nahezu gleichgestellt: es ist das Produkt "Star", das sich von der ihn darstellenden ursprüngl. Persönlichkeit unterscheidet. Im einen Format wird es künstlich erschaffen, im anderen bildet es sich selbst. Im einen Format wird der Mensch verbogen, im anderen verbiegt er sich womöglich selbst. Wo ist also der Unterschied, wenn sich das Ergebnis so gleicht? So könnte man fragen. Auch könnte man fragen, warum einem denn nun der Castingstar von USFO länger interessieren sollte als einer der "Superstars" von DSDS. Aber beides gleicht sich natürlich nicht. Und das finde ich etwas unterbetont im Artikel.

Dieser Punkt macht mich etwas ratlos. Vielleicht verstehe ich ihn nicht richtig. Aber in meinen Augen ist der ganze Artikel nichts anderes als die Erklärung, wo hier der Unterschied liegt. Nochmal: Es stimmt, sowohl bei DSDS (ich nehm' das mal als paradigmatisches Beispiel für das ganze Genre) als auch bei USFO gibt es eine Entwicklung der Kandidaten, von "unbefangen" zu "professionell" (grob gesagt). Unterschied 1: Bei DSDS wird diese Entwicklung den Kandidaten nach fremden Maßstäben aufgezwängt, bei USFO hatten die Kandidaten weitgehend das Sagen, was sie wollen und was nicht. Unterschied 2 (und der steht im Vordergrund des Artikels): Bei DSDS wird der gesamte Fokus des Zuschauerinteresses auf die "Unbefangenheit" gelenkt, auf das ungeschützt Persönliche - d.h. auf das, was im Verlauf der Show mehr und mehr verloren geht. Bei USFO/USFD wird das Verlangen nach immer noch mehr ungeschützter Unbefangenheit, Persönlichem, Intimem usw. ignoriert und statt dessen der Versuch gemacht, das Interesse auf die gewollte und respektierte Veränderung der Kandidatin zu lenken, auch wenn die am Ende keine Unbefangenheit mehr verkörpert. Das garantiert natürlich nicht, dass man sich für LML mehr interessiert als für LaVive. Aber es öffnet wenigstens die Möglichkeit dafür bzw. es versucht dafür ein Interesse zu wecken! Bei Normalcastingshows ist es hingegen so, dass perfiderweise der Charakter der Show den Erfolg des eigenen Kandidaten sabotiert. Die Inszenierung dieser Formate erzwingen geradezu die Misserfolge ihrer Protagonisten (wo sind denn LaVive überhaupt?) - das ist mir klar geworden und das ist auch den Machern dieser Sendungen unter Garantie vollkommen klar. Das ist ein in seiner Perfidie geniales Konzept, denn nur wenn die alten Superstars schnell verschwinden, wird Platz für die neuen geschaffen. Das habe ich versucht aufzuzeigen.

Nun zu der Frage: Unbedarftheit oder Unbefangenheit?, die sowohl Lars als auch Economist aufgegriffen haben.


Weiter finde ich den Begriff der Naivität oder Unbeholfenheit ohnehin zweifelhaft und zu hinterfragen. Lena war nie so unbedarft, auch nie unbeholfen, ganz im Gegenteil. Wenn auch teilweise unbewusst, so konnte sie ihre "Waffen" von Anbeginn immer erfolgreich und gekonnt einsetzen. Sie war dabei unverstellt, also natürlich, aber sicher nicht "naiv" im heutigen Wortsinne.

Da bin ich ganz bei Lars. Synonyme für "unbedarft" sind dumm, schlicht, einfach, leichtgläubig, usw., erst in zweiter Linie auch natürlich, unerfahren, arglos. Viel besser, auch Deiner Intention entsprechend, wäre der vom ARD-Programmbeirat verwendete Begriff "Unbefangenheit". Nur bin ich im Gegensatz zu letzterem überhaupt nicht der Meinung, Lena hätte diese im Laufe der letzten 12 Monate "verloren". Denn "Unbefangenheit" ist auch das Ergebnis einer bewußten Entscheidung - nämlich die, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, grundsätzlich ohne Arg zu sein, sich nicht zu verstellen (...). Ich stimme also Lars völlig zu, daß Lena nie unbeholfen oder naiv war, sondern schlicht natürlich, "sie selbst" eben. Und das ist sie heute noch genauso wie am Anfang. Deshalb scheitert bei ihr ja jeder Versuch, sie zum Kunstprodukt zu machen. Es ist überhaupt kein Widerspruch, wenn Lena durch das Sammeln von Erfahrung und die Herausbildung von Routine in Dingen der Musikbranche nach einem Jahr ein anderes Außenbild vermittelt, als das im Februar 2010 der Fall war.

Ich stimme Euch zu, dass man Unbedarftheit und Unbefangenheit auseinanderhalten muss. Wir sind uns sicher einig, dass Lena nie unbedarft war noch ist. Bei der Frage, war sie früher unbefangen und ist sie es heute weniger, haben zumindest Economist und ich offenbar doch eine Differenz. Erstens, ich würde sagen - und das ist auch der Tenor des Artikels - doch, natürlich ist sie heute weniger unbefangen als früher. Zweitens, füge ich hinzu, das ist auch gut so, denn sonst würde sie nicht erwachsen! Und drittens, das ist im Grunde das wichtigste, ich bin nicht der Ansicht, dass man diese Entwicklung - weg von der Kindlichkeit - so interpretieren sollte, dass hier ein bestimmtes "Außenbild", eine Fassade aufgebaut wurde, und sich vorzustellen, hinter dieser Fassade spielt und spukt immer noch der kleine Lenakobold, der innerlich ständig "verdammte Axt, alter Finne" schreit, das aber nicht mehr rauslassen darf. Das hieße meines Erachtens eben, die Reifung der Persönlichkeit LML jetzt und in den kommenden Jahren nicht zu respektieren. Man sollte den Gedanken, dass sie auch wirklich innerlich anders geworden ist, respektieren - vielleicht sich sogar darüber freuen. Das ist meine Position. Das Interview, das LML Imre Grimm gegeben hat (und das erst einen Tag nach der Abfassung der Erstversion meines Artikels erschienen ist), in dem sie sagt "Ich habe doch keinen Bock, für immer 18 zu sein", ist Wasser auf meine Mühlen.

Zuletzt noch zwei Punkte:

Was den Titel angeht, Economist hat es geahnt :zahn:, ich konnte einfach nicht widerstehen, die alte (etwas pathetische) Formulierung wieder aufzugreifen. Ich bitte inständig, mir die Ironie darin abzukaufen! ;) Ansonsten hat bates die Angemessenheit des Titels perfekt erklärt. Er ist auch in dieser Hinsicht noch einmal ironisch aufzufassen: Natürlich ist mir klar, dass der Programmbeirat und Konsorten Lena nicht etwa den Verlust von Unbedarftheit, sondern von Unbefangenheit vorgeworfen haben. Meine Kritik ist, dass das - wenn man die dahinter stehende Logik analysiert - auf das Gleiche hinauskommt. Insofern ist der Titel eine mit Absicht übersteigerte Formulierung, die meine distanzerende Kritik schon enthält: Wer LML den Verlust von Unbefangenheit vorwirft (! die Betonung liegt auf vorwirft, denn dass es eine solche Entwicklung gegeben hat, bestreite ich ja nicht, im Gegenteil), der meint im Grunde (traut sich aber nicht, es zu sagen), dass sie ihre vermeintliche, süße, naive Unbedarftheit verloren hat (die sie in Wahrheit nie hatte - vollkommen d'accord). Ich würde den Titel deshalb gerne so lassen - wie überhaupt den ganzen Text. Ein guter alter Grundsatz beim Publizieren wie beim Kartenspielen: Was liegt, liegt. Wenn man nachher merkt, dass man einen Fehler gemacht hat, muss man das aushalten.

Die Debatte, die Lars, Economist und Grombold aufgemacht haben (und die muenzi vorweggenommen hat mit seiner Frage, was denn nun "das Beste" an Lena sei), in die mische ich mich hier jetzt nicht ein! Das ist ein so riesiges Fass, das muss auf ein andermal warten. Grombold hat recht, diese Frage ist die Büchse der Pandora. Es stimmt, dass von Lenas Musik in diesem Artikel nirgendwo die Rede ist. Das war auch nicht sein Ziel. Ziel war, eine bestimmte Kritik an Lenas persönlicher (nicht musikalischer) Entwicklung zurückzuweisen. Meine Intuition hinsichtlich der Frage, was nun für Lenas Zauber verantwortlich sei, ihre Persönlichkeit oder ihre Musik, lautet: beides. Es ist das Zusammenspiel zwischen Person und Kunst, zwischen Wahrhaftigkeit und Schauspielmaske, zwischen Perfektion der Interpretation (auf der Bühne) und den ergreifend ehrlichen, uninszenierten Momenten davor und danach. Auf keines der beiden Momente kann verzichtet werden! Das alles steckt schon, wie durch ein Brennglas fokussiert, in "My Same". Es ist kein Zufall, dass alle immer und immer wieder auf diesen Urknall zurückkommen, wenn sie LML zu begreifen versuchen. Das Geheimnis war vom ersten Moment an da und gleichzeitig vor aller Augen. Irgendwann krieg ich es mal hin, das in einer befriedigenden Form aufzuschreiben, aber das braucht Zeit.

Pippilotta
05.02.2011, 17:34
Jetzt ist mittlerweile ja schon wahnsinnig viel geschrieben worden…, aber bei manchen dauert’s halt einfach etwas länger, daher poste ich meine Gedanken zu dem Artikel trotzdem :)

Ich hatte den Artikel gestern Abend/heute Nacht zum erstem Mal gelesen und mein erster Gedanke war: Wow, sehr beeindruckend – Danke juppmartinelli, Danke an die Co-Autoren!

Dann musste ich erst einmal schlafen und darüber nachdenken.

Ich wusste aber schon, dass ich diesen Artikel noch ein zweites, drittes, viertes Mal lesen muss, um auch das letzte klitzekleine Wörtchen noch verarbeiten zu können … Ich rede nicht davon, den Text auseinander zu nehmen oder zu analysieren – ich wollte einfach den Inhalt in seiner Gesamtheit aufnehmen. Schon letztes Jahr habe ich einige Tage an dem außergewöhnlichen Artikel „LML ist nicht die Ikone der Bürgerlichkeit“ gekaut…

Warum finde ich diesen Artikel so einmalig, so anders, so außergewöhnlich, so beeindruckend? Er lässt Freiräume für eigene Gedanken, er drängt sich sogar förmlich auf und sagt mir: Denke mal darüber nach! Er lässt mir Platz für meine Fantasie, was wohl das Neue, das Beste sein mag, das noch kommen wird…

Für mich war Lena nie unbedarft. Sie war unbekümmert, ja, weil sie Spaß daran hatte sich auszuprobieren, weil sie Spaß daran hat zu singen, weil sie kein Konkurrenzkampfdenken hat, weil sie sich selbst immer treu blieb (und sicher bleibt). Aber:

Zitat:
Wer ernsthaft erwartet, man könne einer 19-jährigen den Gewinn des größten Musikspektakels der Welt, ein europaweites Erfolgsalbum und eine Hitsingle, dutzende Fernsehauftritte, zahllose Interviews, mehrere Medienpreise und einen Riesen-Werbevertrag umhängen, ohne dass sie sich dabei verändert und ihre Unbekümmertheit und überbordende Spontaneität zu kontrollieren lernt, ist dumm.


Absolut ;)

Bemerkenswert ist aber auch, wie du/ihr auf den Punkt der ethischen Haltung Raabs eingeh(s)t. Raab ist ein großer Entertainer – zweifellos. Bei der PK in Köln, als er die Titelverteidigung verkündet hat, war er allerdings selbst noch so in Feierlaune, dass ihn wahrscheinlich niemand richtig ernst genommen hat. Jeder dachte: Jetzt schnappt er völlig über.

Ich denke, dass es u.a. daher kommt, dass der Hintergrund der Titelverteidigung verkannt wurde. Ich selbst dachte anfangs auch, dass das nicht gut gehen kann – mehr als gewinnen geht doch nicht. Nach ein paar Tagen habe ich meine Meinung jedoch revidiert. Zum einen aus dem Grund, dass ich es lobenswert finde, dass Raab die Verantwortung übernommen hat, eine Künstlerin zu supporten, die ein großes Talent hat und ihr die Möglichkeit gibt sich weiterzuentwickeln.

Zum anderen denke ich, dass NIEMAND aus einer zweiten Casting-Show Lena hätte das Wasser reichen können. Alleine deshalb schon nicht, weil insbesondere die Medien jede/n Nachfolger/in mit Lena verglichen hätten - da hätte der- oder diejenige musikalisch noch so gut sein können. Wenn Lena dieses Jahr den ESC nicht gewinnt, dann ist der Weg frei für eine Neuauflage von „USFO“. Falls sie gewinnen sollte…, dann werden wir sehen, aber der direkte Bezug zu ihr mit all ihrer Unbekümmertheit und Verrücktheit, wie wir sie kennengelernt haben in 2010, ist dann ein gutes Stück weggerückt.

Ich persönlich mag Raab nicht so gerne, aber seine Ideen und seinen Mut, Neues zu probieren, finde ich genial. Und das sehe ich auch bei Lena: Sie hat Mut, Neues auszuprobieren und sie macht das, was ihr Spaß macht: No risk – no fun. Dabei vergisst sie nicht, sich selbst und die Dinge, die mit ihr passieren, zu reflektieren, und dankbar zu sein, diese unglaubliche Chance bekommen zu haben. Wer das mit Unbedarftheit gleichsetzt oder verwechselt, der ist wahrhaft zu bedauern ;)

So, genug geschrieben… Nur eins noch: Vielen Dank für die Gedanken! :)

Muenzi
05.02.2011, 17:35
Danke Lars, Economist, Jupp und andere für diese interessante Diskussion. Das macht zutiefst Freude so etwas zu lesen. Ich habe eine Menge gelernt. Prinzipien eines Teils der Medienwelt speziell von Casting-Shows habt ihr in sehr deutlicher Weise analysiert.

Ich finde es gut, an diesem Beitrag nichts zu ändern. Er wird nicht besser und nicht verständlicher denn er ist einfach excellent.

Ich finde den Titel auch hervorragend. Mich hat er sofort angesprochen und motiviert einen etwas längeren Text auch zu lesen. Ein Titel ist nur ein Eingangstor und dieses ruft ganz laut: 'komm rein!'.

Zu meiner Frage weiß ich selbst keine Antwort. Vielleicht weist mir ihre einzigartige Persönlichkeit einen Weg zu ihrer wunderbaren Musik und ihre Musik hat mich erst für ihre Persönlichkeit interessiert. Also, wie Juppsagt, das Zusammenspiel von Person und Kunst.

Nur ihr Geheimnis, das lasst uns bitte nicht ergründen. Lasst es uns gar nicht erst versuchen. So wie ich manchmal fassungslos vor der Schönheit eines Sonnenaufgangs stehe, so stehe ich manchmal fassungslos vor der Schönheit von Lenas Stimme oder vor der Intensität, mit der mich ein Auftritt von ihr berührt. Oder ich stehe fassungslos davor, wie sie mit einem Satz einen ganzen Artikel von Jupp zusammen fassen kann.

support4lena
05.02.2011, 17:36
wie wäre es eigentlich mit etwas Werbung für den Block und den e.V....?

könnte man ja mal so als verlinkte email an BP senden oder so...

Nur so ein Gedanke, den man hier zur Diskussion aufgreifen könnte.

Herrn Niggemeier habe ich schon auf den Blog hingewiesen. Vielleicht kann pinotgrigio mal seinen Draht zu Jan Feddersen nutzen. Brainpool halte ich für zwecklos nach den bisherigen Erfahrungen. Erst wenn die ganze Welt über die Lenaisten spricht, werden die uns VIELLEICHT zu Kenntnis nehmen.

rubbart
05.02.2011, 17:48
Erst einmal vorneweg: Sehr guter Eintrag! Beschreibt meine Ansicht wohl besser als ich es überbringen könnte. Vielen Dank!

Mich haben die "Lena hat sich verändert"-Kommentare immer verwirrt, als Fan erster Stunde wird man schon genug Veränderungen noch während der USfO Shows wahrgenommen haben, am deutlichsten im Finale, wo Lena für viele Fans erstmals einen enttäuschenderen Eindruck gemacht hat, nicht zuletzt aufgrund der Songs die vom Anspruch weit unter dem lagen was sie sich die letzten Shows selber ausgesucht hat und der Punkt, dass bei so viel Druck auch einfach Patzer passieren (Satellite II als worst case), wo man einfach nicht enttäuscht sein kann, weil es unmenschlich wäre anderes zu erwarten, insbesondere im Anbetracht, dass textlich bei fast jedem USfO Auftritt an vereinzelten Stellen irgendetwas anders gesungen wurde, aber das hat doch unter anderem die Faszination ausgemacht, dass sie es einfach so gekonnt und professionell überspielt, anstatt an einem kleinen Fehler den ganzen Auftritt zu versemmeln. So kann auch ich so späte Pseudoerkenntnisse wie "Lena hat ihre Unbeschwertheit verloren" höchstens als heuchlerische Miesmache abstempeln, das hätte man nach dem USfO Finale schon behaupten können und man hätte damals schon den Punkt verfehlt, da es leichtsinnig ist sich bei der Faszination für einen Künstler darauf zu stützen, dass er sich nicht verändert.

Aber schon damals wird man nach kurzen Denkpausen doch verstanden haben, dass es sich bei dieser Veränderung einzig und allein auf Weiterentwicklung beläuft, nie wird man nochmal so überrascht werden wie bei 'My Same', aber das ist doch gar nichts tragisches, die ersten Begegnungen mit einem neuen Umstand sind doch häufig die prägendsten*, ich halte es für absolut kontraproduktiv sich in einem nostalgischen Schmerz zu verlieren und alles an den Moment zu messen wo alles begann.

*Da könnte man vielleicht auch prüfen, wo Lenafans von unterschiedlichen Zeitpunkten ihr bedeutenstes Lena-Event nennen, ich meine mich zum Beispiel zu erinnern, dass Walter Sobchak u.A. mit dem ESC2010 Lena entdeckt hat und auch nach dem Nachholen der USfO Auftritte den Satellite-Auftritt beim ESC als größten 'Lena-Flash' angesehen hat, das würde das ganze noch untermauern.

Ein Mensch entwickelt sich zwangsläufig, es wäre bedauernder wenn es nicht so wäre. Mir fällt nichts Negatives ein wenn ich Lenas Werdegang und Entwicklung in der Öffentlichkeit revue passieren lasse. Anfangs war ich enttäuscht, dass MCP von den Titeln insbesondere textlich nicht so viel Reiz boten wie ihre Songwahl für USfO, aber habe dann direkt versucht das Ganze aus Künstlersicht zu sehen um zu erkennen, dass es für einen Künstler viel wertvoller ist die Stücke wirklich sein Eigen nennen zu können, anstatt Produktionen anderer zu singen an dessen Erstellung man gar nicht teilhaben konnte.

Und dass Lena/Raab im englischen Bereich nicht an die Qualität von Englisch-Nativespeaker-Texten rankommen ist ja absolut logisch.

Spätestens mit ihrem 'What happened to Me'-Auftritt sollte man gemerkt haben, dass sowas für eine Live-Künstlerin wie Lena überhaupt nicht wichtig ist, sie hat ihr Werk mit so viel Lebensfreude und Energie vorgetragen, dass man gar keine Chance hat den Titel nicht gut zu finden, selbst wenn es aufgebröselt kein besonderes Werk ist.

Lena ist einfach so viel souveräner geworden, weiß noch besser Gestik und Mimik in ihre Auftritte einzubringen und ist gesanglich Welten besser als zu den Anfangszeiten, hat aber, für mich erfreulicherweise, immer noch hier und da den schiefen Ton, der für mich dann aber in 95% der Fälle noch den gewissen Reiz ausmacht, ich habe mich da so gern an 'Diamond Dave' zurückerinnert, wo die Atonalität stets da einsetzte wo mir das Original zu langweilig war, dieses un(ter?)bewusste Schiefsingen um das Lied erfrischender wirken zu lassen hatte für mich immer so den gewissen Hang zur absoluten Genialität, auch wenn das wohl niemals beabsichtigt war.

Irgendjemand hatte beim 'Not Following'-Auftritt in der TVT Woche auch bei Youtube einen Kommentar wie "Niemand sonst kann so schön schief singen" gebracht, mag im ersten Augenblick vielleicht anmaßend klingen, hatte für mich aber das ganze echt gut getroffen. Das war tonal fernab von perfekt, aber eigentlich war ich dankbar, dass es so war, weil es so viel interessanter wurde.
Die gelegentliche Zuneigung zum Schrägen liegt bei mir aber vielleicht auch nur an zu starkem Aphex Twin Konsum. ;)

Man kann die ganze Faszination wohl noch in die zehnfache Länge ausweiten, aber ich denke das reicht so.
Ich für meinen Teil bin gespannt was noch alles auf Lena zukommt und werde, sofern möglich, versuchen sie auf ihrem Weg zu unterstützen, sei es durch Albumkäufe, Konzertbesuche oder sonstige Aktionen. :)

catchmo
05.02.2011, 18:12
Ich kann mich da nur bei jupp für den Blog bedanken. Es ist auch schön, dass man sich selbst irgendwo darin wiedererkennt und Argumente die man "früher" im Titelverteidigungstopic eingeworfen hat, so noch einmal auftauchen (Ethik und Moral). Die Kritik und vor allem auch die Ironie, die mir hier letzt ein wenig gefehlt hat, runden den Beitrag richtig gut ab. Außerdem empfinde ich es als äußerst wohltuend und erfrischend, dass viel Spielraum für Interpretation gelassen wurde, wo man seine eigenen Gedanken einspinnen kann, ohne vom nächsten Satz lügen gestraft zu werden. Ich kann es nur betonen, du sprichst mir mit dem Beitrag heute, wie auch mit dem vorherigen Post zur "Ikone der Bürgerlichkeit" aus der Seele. Ein ganz dickes Dankeschön :)

Kleiner Einwurf zum Schluss. Ich finde es sehr wichtig das Lena, wie aber auch jeder andere Mensch, sich weiterentwickelt. Trotzdem jedoch, in diesen unterschiedlichen Stadien durchaus selbstkritisch reflektiert und zu jedem Zeitpunkt zu diesen Entwicklungen steht. Ich fand es schon immer sehr bedenklich, wenn sich jemand immer auf Vergleiche mit Usfo eingelassen hat, denn einen Ist-Zustand von heute, kann man in zwei Tagen schon nicht mehr reproduzieren, ohne in seiner Persönlichkeit zu stagnieren und eine Maske aufzusetzen um die gleiche Rolle zu spielen und selbst dort fließen Veränderungen mit ein. Gerade das Lena dies nicht macht, sollte alle eher erfreuen, als dass man sich ständig mit der Vergangenheitsform einer Person beschäftigt. Heute ist heute, aber morgen kann einfach nicht gestern sein ;)

juppmartinelli
05.02.2011, 19:10
Dann musste ich erst einmal schlafen und darüber nachdenken.
:D Merci.


Ich denke, dass es u.a. daher kommt, dass der Hintergrund der Titelverteidigung verkannt wurde. Ich selbst dachte anfangs auch, dass das nicht gut gehen kann – mehr als gewinnen geht doch nicht. Nach ein paar Tagen habe ich meine Meinung jedoch revidiert. Zum einen aus dem Grund, dass ich es lobenswert finde, dass Raab die Verantwortung übernommen hat, eine Künstlerin zu supporten, die ein großes Talent hat und ihr die Möglichkeit gibt sich weiterzuentwickeln.

Vielleicht hierzu noch eine kleine Ergänzung, auch zu catchmos Post: Nicht, dass ich plötzlich zum Apologeten der Titelverteidigung geworden bin! Die Älteren hier wissen vielleicht noch, dass ich von Anfang an heftigst dagegen war. Ich gehe inzwischen ganz gelassen damit um, aber für überflüssig halte ich es letztlich immer noch. Was ich honorierend herausgestellt habe, ist Raabs Weigerung, in diesem Jahr eine neue USFO-Talentshow zu veranstalten, so als wäre nichts gewesen, so als wäre LML nicht passiert. Das verdient Hochachtung. Daraus folgt natürlich noch lange nicht, dass man für die Titelverteidigung sein muss. Es hätte auch die Option gegeben, den ESC einfach anderen Leuten zu überlassen und sich statt dessen auf Lenas musikalische Entwicklung über ganz andere Wege zu konzentrieren. Aber diese Diskussion ist jetzt, während der Vorentscheid schon läuft und wir uns über lauter Lena-Shows im Fernsehen freuen, natürlich rein akademisch und interessiert zu Recht keinen mehr. Ich wollte nur anmerken, dass ich in diesem Punkt nicht plötzlich die Seiten gewechselt habe.

Pippilotta
05.02.2011, 19:56
@juppmartinelli: Danke für deine Ergänzung!
Ich wusste gar nicht, ob du pro oder contra Titelverteidigung bist, denn dein Artikel sagt darüber ja nichts aus - muss er auch nicht, denn darum ging es ja nicht. Ich selbst bin von eher contra auf pro geschwenkt aus den von mir beschriebenen Gründen, wobei ich eine andere Option als Raab in diesem Moment ausgeschlossen hatte. Eigentlich wollte ich deine Darstellung zu den Beweggründen, keine neue USFO-Talentshow zu veranstalten, auch nur unterstreichen… Bei mir gingen die Beweggründe dann einher mit einem Ja zur Titelverteidigung, was aber durchaus nicht der Fall sein muss – da hast du absolut Recht.

support4lena
05.02.2011, 20:00
Bei mir ging der Denkprozess ganz ähnlich vonstatten und hat nach Raabs Titelverteidigungsankündigung etwa 48 Stunden gedauert. Titelverteidigung: nööt. Neue USFO-Show: nöööööööööööööt! Also doch Titelverteidigung. Einen Ausstieg Raabs habe ich nicht als Denkmöglichkeit einbezogen und glaube auch nicht, dass das eine realistische Option war.

catchmo
05.02.2011, 20:30
:D Merci.



Vielleicht hierzu noch eine kleine Ergänzung, auch zu catchmos Post: Nicht, dass ich plötzlich zum Apologeten der Titelverteidigung geworden bin! Die Älteren hier wissen vielleicht noch, dass ich von Anfang an heftigst dagegen war. Ich gehe inzwischen ganz gelassen damit um, aber für überflüssig halte ich es letztlich immer noch. Was ich honorierend herausgestellt habe, ist Raabs Weigerung, in diesem Jahr eine neue USFO-Talentshow zu veranstalten, so als wäre nichts gewesen, so als wäre LML nicht passiert. Das verdient Hochachtung. Daraus folgt natürlich noch lange nicht, dass man für die Titelverteidigung sein muss. Es hätte auch die Option gegeben, den ESC einfach anderen Leuten zu überlassen und sich statt dessen auf Lenas musikalische Entwicklung über ganz andere Wege zu konzentrieren. Aber diese Diskussion ist jetzt, während der Vorentscheid schon läuft und wir uns über lauter Lena-Shows im Fernsehen freuen, natürlich rein akademisch und interessiert zu Recht keinen mehr. Ich wollte nur anmerken, dass ich in diesem Punkt nicht plötzlich die Seiten gewechselt habe.

Ich kenne deinen Standpunkt in der Tat noch immer und auch ich bin nie ein Freund der Polemik hinter dem Schlagwort "Titelverteidigung" gewesen, noch war ich ein Befürworter dessen, dass Lena sich diesem Contest noch einmal stellt. Aber, ich habe direkt nach der "Köllschen Pressekonferenz" damit begonnen, mich mit dem Thema zu arrangieren, deshalb habe ich schlussendlich ihr Vorpreschen von Beginn an versucht "zu unterstützen" (zu was man so fähig ist vor seinem eigenen PC), bzw. mich ausschließlich positiv damit auseinander gesetzt und das hier dann auch so vertreten.




Die Idee an sich hat auch ganz sicher nicht eine einfache und simpel gestrickte Erklärung, die nach "Schnapsidee" klingen könnte. Zum einen müssen wir alle uns nur mal vorstellen, was für einem riesen Druck der/die Kandidat/in, den man in USFx suchen und finden würde, ausgesetzt wäre. Zum einen Titelverteidigung, zum anderen der/die Kandidat/-in nach Lena zu sein, die sie ja eigentlich übertreffen muss sonst wäre es schon eine erste Enttäuschung, da die Medienlandschaft zu 100% Vergleiche zu Lena ziehen würde und nicht zu vergessen DIE Heim-EM. Das alles auf die Schultern eines völligen Branchenneulings zu laden, wäre ganz sicher genau so wenig verantwortungsvoll, wie manche nun glauben, Lena würde verantwortungslos behandelt, gar verheizt!

Zum anderen müssten wir uns ja nun alle einig darüber sein, dass Lena grundsätzlich mal eine echt toughe Type ist, von der Stefan weiß, dass sie nervlich genau die richtige für genau diesen Job wäre. Und egal wie es ausginge, damit auch umzugehen wüsste. [...]



1. Lena Nachfolger wird mit enormen Druck beladen ins Rennen geschickt. a) Lenas Nachfolger, der Nachfolger DER größten aller Künstlerinnen unserer Zeit, dieses Landes. b) "Heim-EM", das heißt das JEDER innerhalb der Medienwelt den Nachfolger nicht nur an Lena misst, sondern eine Titelverteidigung vor eigenem Publikum einfordern wird. Die Fans werden bei einem Mittelklasse Song und einem Mittelklasse Künstler hart ins Gericht springen, es muss also jemand her der mit Druck umgehen und zumindest die selbe, eher eine Klasse über Lena zu finden wäre um den Heim GP interessant zu gestalten. [...]

Das waren seinerzeit so meine Einschätzungen zum Thema ethnisch und moralischen Standpunkt Raabs, leider war die Hitze der Diskussion ein wenig zu präsent, so dass manch einer dieser Beiträge zu polemisch rüberkommt, wenn ich es heute, viel abgekühlter, rezitiere. Der Sinn bleibt aber, im Kontext, der gleiche. Hätte man jemanden verheizen wollen, dann hätte man ein neues Gesicht geschickt, der sich mit Lena als erstes einmal messen hätte müssen und danach mit dem Abschneiden beim ESC und die Presse wäre nicht zimperlich gewesen, hätte dieses evtl. junge Talent eben bei der Titelverteidigung nur einen Platz eingenommen, wie es der Didrik für Norwegen getan hat. In meinen Augen, kein sonderlich guter Start für eine junge Karriere.

bates
05.02.2011, 20:41
@catchmo: Ist zwar alles nicht falsch, aber ich habe mich immer gefragt, wieso es Lenas Job sein sollte, ihren potenziellen Nachfolger zu schützen. Als Pro-Titelverteidigungsargument konnte das bei mir nie so richtig ziehen.

catchmo
05.02.2011, 20:59
Ich habe es nie als Argument pro Titelverteidigung gesehen, sondern contra UsfX. Das wiederum ließe nur zwei Schlüsse zu, erstens: Lena tritt selbst an, oder zweitens man nimmt eine bekannte Band, sprich Silbermond (als Beispiel).

Grombold
05.02.2011, 21:17
Vorweg möchte ich erstmal sagen, daß aus eigenen Antrieb im Leben nicht darauf gekommen wäre über den Reifungsprozess eines Menschen zu diskutieren, hat schon fast etwas surrealistisches.

Vieleicht ist es nur großer Unsinn, aber möglicherweise ist mir gerade klar geworden, warum so einige ängstliche oder traurige Gedanken in Bezug auf Lenas Reifungsprozess bekommen.
Ein Mensch besteht im allgemeinen aus einer Vielzahl unterschiedlichster Facetten. Nun scheint mir das so, daß einige Menschen ihre alten Facetten ganz weit weg packen, wie alte Kleidung in einen Altkleidersack und ab auf den Dachboden oder gleich ganz auf den Müll. Ob beim Übergang vom Kind zum Jugendlichen oder vom Jugendlichen zum Erwachsenen, immer werden die alten Facetten blitzschnell entsorgt und durch die neuen ersetzt.
Um dann plötzlich festzustellen: Im Kleiderschrank hängt nur noch ein einziger, ein grauer Anzug.

Das wird Lena aber definitiv nicht passieren. Da ist nicht eine einzige noch so winzige Facette verloren gegangen. Alles noch da. Nur ist jetzt eine ganze Kollektion an im laufe des Jahres hart erarbeiteten Facetten hinzu gekommen.
Es ist doch nur natürlich, daß Lena, nachdem sie festgestellt hat, daß die gut sind, diese neuen Facetten auch zeigen will.

Hierzu verweis ich mal Beispielhaft auf den Einspieler zu TbaS ('der Text ist ein bischen... verrückt) oder das Video zum Einkaufsbummel (der Blick bei den HK-Puschen).
Solche Sachen werden in Zukunft seltener sein, einfach weil Lena soviel reicher an Facetten wird, die sie uns präsentieren kann.
Oder einfach ausgedrückt: Lena wird immer besser.

gauloises
05.02.2011, 21:48
Vielleicht kann pinotgrigio mal seinen Draht zu Jan Feddersen nutzen.

Ich habe pinotgrigio dahingehend bereits angefragt.

axtfrei
06.02.2011, 00:05
Ich bin mir nicht sicher, als Raab die Titelverteidung als "ethisches" und "moralisches" Erforderniss bezeichnete, ob nicht sein ureigener Sportsgeist aus ihm gesprochen hat, oder ob es einfach nur Dummgeschwätz war während der spontanen Suche nach Ausdrücken, oder ob nicht Herr Raab auch selbst eine Art Wandlung durchgemacht hat und wirklich das von Jupp beschriebene meinte. Manchmal werden manche Aussagen erst im Nachhinein zu "großen Worten", durch ihre nachträgliche Interpretation. Leider hat niemand Herrn Raab in der Pressekonferenz gefragt, was er mit "ethisch" gemeint hat.

pinotgrigio
06.02.2011, 12:56
Ich habe pinotgrigio dahingehend bereits angefragt.

Ich war längere Zeit nicht online, daher erst jetzt meine Reaktion. Ich denke darüber nach. Da ich aber die Erfahrung gemacht habe, dass die meisten Journalisten/Blogger gerne selber entdecken, wäre ein direkter Kontakt eventuell kontraproduktiv. Wir sind ja auch nicht persönlich bekannt, sondern nur durch Dritte und bei Facebook befreundet und haben ein paar mal gemailt - mehr nicht. Aber wie gesagt, ich denk' darüber nach, ob ich ihm den Link maile.

PS
Über den Titel des Blogeintrags bin ich auch erst gestolpert und fand ihn PR-mäßig ziemlich unglücklich, soviele negativ vorbelegte Wörter. Aber nach reiflicher Überlegung finde ich ihn gut und richtig so. Wer ihn/die Ironie/Anspielung nicht versteht, wird den Text sowieso nur querlesen...

ranzig
06.02.2011, 14:24
Es hätte auch die Option gegeben, den ESC einfach anderen Leuten zu überlassen und sich statt dessen auf Lenas musikalische Entwicklung über ganz andere Wege zu konzentrieren. Aber diese Diskussion ist jetzt, während der Vorentscheid schon läuft und wir uns über lauter Lena-Shows im Fernsehen freuen, natürlich rein akademisch und interessiert zu Recht keinen mehr. Ich wollte nur anmerken, dass ich in diesem Punkt nicht plötzlich die Seiten gewechselt habe.

Danke auch für diese Ergänzung!

Lars
06.02.2011, 15:15
Dieser Punkt macht mich etwas ratlos. Vielleicht verstehe ich ihn nicht richtig. Aber in meinen Augen ist der ganze Artikel nichts anderes als die Erklärung, wo hier der Unterschied liegt. Nochmal: Es stimmt, sowohl bei DSDS (ich nehm' das mal als paradigmatisches Beispiel für das ganze Genre) als auch bei USFO gibt es eine Entwicklung der Kandidaten, von "unbefangen" zu "professionell" (grob gesagt). Unterschied 1: Bei DSDS wird diese Entwicklung den Kandidaten nach fremden Maßstäben aufgezwängt, bei USFO hatten die Kandidaten weitgehend das Sagen, was sie wollen und was nicht. Unterschied 2 (und der steht im Vordergrund des Artikels): Bei DSDS wird der gesamte Fokus des Zuschauerinteresses auf die "Unbefangenheit" gelenkt, auf das ungeschützt Persönliche - d.h. auf das, was im Verlauf der Show mehr und mehr verloren geht. Bei USFO/USFD wird das Verlangen nach immer noch mehr ungeschützter Unbefangenheit, Persönlichem, Intimem usw. ignoriert und statt dessen der Versuch gemacht, das Interesse auf die gewollte und respektierte Veränderung der Kandidatin zu lenken, auch wenn die am Ende keine Unbefangenheit mehr verkörpert. Das garantiert natürlich nicht, dass man sich für LML mehr interessiert als für LaVive. Aber es öffnet wenigstens die Möglichkeit dafür bzw. es versucht dafür ein Interesse zu wecken! Bei Normalcastingshows ist es hingegen so, dass perfiderweise der Charakter der Show den Erfolg des eigenen Kandidaten sabotiert. Die Inszenierung dieser Formate erzwingen geradezu die Misserfolge ihrer Protagonisten (wo sind denn LaVive überhaupt?) - das ist mir klar geworden und das ist auch den Machern dieser Sendungen unter Garantie vollkommen klar. Das ist ein in seiner Perfidie geniales Konzept, denn nur wenn die alten Superstars schnell verschwinden, wird Platz für die neuen geschaffen. Das habe ich versucht aufzuzeigen.
Ich muss zunächst sagen, dass ich deinen Artikel zunächst recht schnell und vielleicht auch etwas oberflächlich gelesen habe und auch meine Antwort sehr schnell geschrieben habe. Das aber auch mit gewisser Absicht, denn "der Leser" macht es womöglich ähnlich. Ich habe dabei (und bei jetzt nochmaligem Lesen erst recht) natürlich gemerkt, dass du Unterschiede herausstellen wolltest, habe aber trotzdem beim Lesen im Text eher Gemeinsamkeiten gesehen oder eine solche Gleichheits-Schlußfolgerung beim unbeteiligten Leser vorweggenommen. Für mich ist der Unterschied zw. Lena u. anderen "Castingsternchen" klar, dir sicher ebenso, aber da liegt dann die Gefahr, beim Schreiben "Selbstverständliches" unerwähnt zu lassen oder nur anzudeuten und beim Leser vorauszusetzen, "it is understood", wie man im Englischen so schön sagt, was aber durchaus zu "misunderstanding" führen kann.
Ich glaub, in dieser Bewertung spielt die gefühlte Gleichsetzung der Begriffe Unbefangenheit, Unbekümmertheit, Unbedarftheit, Unbeholfenheit und Naivität mit hinein. Aber gerade da liegt des Pudels Kern.
Unbefangenheit ist ein positiver Begriff, Unbekümmertheit wohl eher auch, die anderen sind negativ. Und sie bedeuten eben auch etwas völlig anderes. Dazu nach dem nächsten Zitat weiter



Ich stimme Euch zu, dass man Unbedarftheit und Unbefangenheit auseinanderhalten muss. Wir sind uns sicher einig, dass Lena nie unbedarft war noch ist. Bei der Frage, war sie früher unbefangen und ist sie es heute weniger, haben zumindest Economist und ich offenbar doch eine Differenz. Erstens, ich würde sagen - und das ist auch der Tenor des Artikels - doch, natürlich ist sie heute weniger unbefangen als früher. Zweitens, füge ich hinzu, das ist auch gut so, denn sonst würde sie nicht erwachsen! Und drittens, das ist im Grunde das wichtigste, ich bin nicht der Ansicht, dass man diese Entwicklung - weg von der Kindlichkeit - so interpretieren sollte, dass hier ein bestimmtes "Außenbild", eine Fassade aufgebaut wurde, und sich vorzustellen, hinter dieser Fassade spielt und spukt immer noch der kleine Lenakobold, der innerlich ständig "verdammte Axt, alter Finne" schreit, das aber nicht mehr rauslassen darf. Das hieße meines Erachtens eben, die Reifung der Persönlichkeit LML jetzt und in den kommenden Jahren nicht zu respektieren. Man sollte den Gedanken, dass sie auch wirklich innerlich anders geworden ist, respektieren - vielleicht sich sogar darüber freuen. Das ist meine Position. Das Interview, das LML Imre Grimm gegeben hat (und das erst einen Tag nach der Abfassung der Erstversion meines Artikels erschienen ist), in dem sie sagt "Ich habe doch keinen Bock, für immer 18 zu sein", ist Wasser auf meine Mühlen.
Ich glaube, eine nähere Betrachtung des Begriffs Unbefangenheit hilft weiter: Man kann nur da unbefangen wirken, wo weder Befangenheit noch Erfahrung einsetzen konnte. Als Lena das erste Mal eine (größere) Bühne betrat, war sie zweifellos völlig unbefangen. Das kann heute nicht mehr so sein, da sie diese Erfahrung nun schon vielfach und in unterschiedl. Konstellationen machte. Gleiches gilt für Interviews, für Pressekonferenzen (ein Nöööööt! wird sie kaum so wiederholen, sowas klappt nur einmal), etc. Das ist zweifellos eine unvermeidbare Professionalisierung. Dennoch ist sie immer noch unbefangen, wenn es um Neues geht: neue Menschen, neue Situationen. Nur da kann Unbefangenheit sichtbar werden. Dabei ist sie im besten Sinne auch unbefangener als andere, die schon ein "Das geht doch nicht!" auf den Lippen haben, ehe sie es auch nur hinreich. betrachtet haben und vermeintl. Notwendigkeiten und Verbote hinterfragt haben. Ein Beispiel sei hier die "Titelverteidigung" und die Hallentour. (Natürlich läuft man rasch Gefahr, in Unbedarftheit abzurutschen, wenn man sich tatsächlich auf völlig idiotische undurchdachte Situationen einlässt und zu sehr anderen mit idiotischen Ideen vertraut, was wiederum eher eine Befangenheit denn Unbefangenheit wäre.) Unbefangenheit definiere ich also als reflektierte Offenheit Neuem gegenüber und Bereitschaft, auch Neues zuzulassen und dies ohne vermeintlich bestehende Zwänge nach Außen zu tragen.

Wo ich es grad gelesen und mich drüber gefreut habe, hierzu ein schönes Zitat von Baltasar Gracián (aus Handorakel und Kunst der Weltklugheit):


Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. Diese ist das Leben der Talente, der Athem der Rede, die Seele des Thuns, die Zierde der Zierden. Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. Sogar im Denken wird sie sichtbar. Sie am allermeisten ist Geschenk der Natur und dankt am wenigsten der Bildung: denn selbst über die Erziehung ist sie erhaben. Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät. Sie ist ein feiner Richtweg die Geschäfte abzukürzen, oder auf eine edle Art aus jeder Verwickelung zu kommen.
Nur nebenbei: Diese Unbefangenheit ist wohl eine der Ursachen, dass manche sie als "dumme Göre" oder als "eingebildete Zicke" wahrnehmen, mehr ein Zeichen der Unbedarftheit der so Denkenden.


Meine Kritik ist, dass das - wenn man die dahinter stehende Logik analysiert - auf das Gleiche hinauskommt. Insofern ist der Titel eine mit Absicht übersteigerte Formulierung, die meine distanzerende Kritik schon enthält: Wer LML den Verlust von Unbefangenheit vorwirft (! die Betonung liegt auf vorwirft, denn dass es eine solche Entwicklung gegeben hat, bestreite ich ja nicht, im Gegenteil), der meint im Grunde (traut sich aber nicht, es zu sagen), dass sie ihre vermeintliche, süße, naive Unbedarftheit verloren hat (die sie in Wahrheit nie hatte - vollkommen d'accord).
Richtig. Die dahinterstehende Logik fußt auf der bewusst fehlenden Trennung der Begriffe. Darum ist mir diese Trennung auch so wichtig.


Ich würde den Titel deshalb gerne so lassen - wie überhaupt den ganzen Text. Ein guter alter Grundsatz beim Publizieren wie beim Kartenspielen: Was liegt, liegt. Wenn man nachher merkt, dass man einen Fehler gemacht hat, muss man das aushalten.
Dazu ist der Artikel auch zu gut als dass es dir schwerfallen sollte, es auszuhalten.


Meine Intuition hinsichtlich der Frage, was nun für Lenas Zauber verantwortlich sei, ihre Persönlichkeit oder ihre Musik, lautet: beides. Es ist das Zusammenspiel zwischen Person und Kunst, zwischen Wahrhaftigkeit und Schauspielmaske, zwischen Perfektion der Interpretation (auf der Bühne) und den ergreifend ehrlichen, uninszenierten Momenten davor und danach. Auf keines der beiden Momente kann verzichtet werden!
Ja, das eine, Lenas Person, macht das andere, Lenas Kunst, erst möglich.


Das alles steckt schon, wie durch ein Brennglas fokussiert, in "My Same". Es ist kein Zufall, dass alle immer und immer wieder auf diesen Urknall zurückkommen, wenn sie LML zu begreifen versuchen. Das Geheimnis war vom ersten Moment an da und gleichzeitig vor aller Augen. Irgendwann krieg ich es mal hin, das in einer befriedigenden Form aufzuschreiben, aber das braucht Zeit.
Dann können wir uns ja schon auf was freuen. :)

Grombold
06.02.2011, 15:47
Meine Intuition hinsichtlich der Frage, was nun für Lenas Zauber verantwortlich sei, ihre Persönlichkeit oder ihre Musik, lautet: beides. Es ist das Zusammenspiel zwischen Person und Kunst, zwischen Wahrhaftigkeit und Schauspielmaske, zwischen Perfektion der Interpretation (auf der Bühne) und den ergreifend ehrlichen, uninszenierten Momenten davor und danach. Auf keines der beiden Momente kann verzichtet werden! Das alles steckt schon, wie durch ein Brennglas fokussiert, in "My Same". Es ist kein Zufall, dass alle immer und immer wieder auf diesen Urknall zurückkommen, wenn sie LML zu begreifen versuchen. Das Geheimnis war vom ersten Moment an da und gleichzeitig vor aller Augen. Irgendwann krieg ich es mal hin, das in einer befriedigenden Form aufzuschreiben, aber das braucht Zeit.
Das kannst du gerne versuchen :D

Nur, ich glaube, auch in hundert jahren hast du da noch nichts zufriedenstellendes zusammen gebacken.
Normale sprache reicht da einfach nicht aus, um ein Phänomen wie Lena befriedigend beschreiben zu können.

Warum auch sollte eine Sprache stilistische Mittel, Vokabular oder spezielle Grammatik vorhalten für ein Phänomen was vieleicht nur einmal in tausend Jahren vorkommt. Das kann eine Sprache einfach nicht leisten. Selbst wenn es sowas mal gegeben hatte, muss das durch ständigen gebrauch lebendig gehalten werden, sonst ist es ruckzuck wieder verloren.

Die einzige Möglichkeit, die ich sehe ist, daß wir selber hier entsprechende sprachliche Mittel entwickeln und verbreiten.

Da fällt mir ein, sowas hatte es wohl schon mal vor etwas längerer Zeit gegeben, aber davon ist nur noch das geflügelte Wort vom 'Singen, daß selbst die Steine erweicht' übriggeblieben.


:-D

gum
06.02.2011, 16:10
zu dem artikel fällt mir nur ein: arguing on the internet...

gauloises
06.02.2011, 16:19
Ich glaube, eine nähere Betrachtung des Begriffs Unbefangenheit hilft weiter: Man kann nur da unbefangen wirken, wo weder Befangenheit noch Erfahrung einsetzen konnte. Als Lena das erste Mal eine (größere) Bühne betrat, war sie zweifellos völlig unbefangen. Das kann heute nicht mehr so sein, da sie diese Erfahrung nun schon vielfach und in unterschiedl. Konstellationen machte. Gleiches gilt für Interviews, für Pressekonferenzen (ein Nöööööt! wird sie kaum so wiederholen, sowas klappt nur einmal), etc. Das ist zweifellos eine unvermeidbare Professionalisierung. Dennoch ist sie immer noch unbefangen, wenn es um Neues geht: neue Menschen, neue Situationen. Nur da kann Unbefangenheit sichtbar werden. Dabei ist sie im besten Sinne auch unbefangener als andere, die schon ein "Das geht doch nicht!" auf den Lippen haben, ehe sie es auch nur hinreich. betrachtet haben und vermeintl. Notwendigkeiten und Verbote hinterfragt haben. Ein Beispiel sei hier die "Titelverteidigung" und die Hallentour.

Diese Zusammenfassung gefällt mir sehr, kann ich voll und ganz unterschreiben.

Tiny Tim
06.02.2011, 16:37
Ich schließe mich gauloises an: ein hervorragender Beitrag, Lars, vielen Dank! Das Zitat von Baltasar Gracián habe ich auch gleich in den dafür prädestinierten Thread kopiert. :D

bates
06.02.2011, 18:15
Wo ich es grad gelesen und mich drüber gefreut habe, hierzu ein schönes Zitat von Baltasar Gracián (aus Handorakel und Kunst der Weltklugheit):


Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. Diese ist das Leben der Talente, der Athem der Rede, die Seele des Thuns, die Zierde der Zierden. Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. Sogar im Denken wird sie sichtbar. Sie am allermeisten ist Geschenk der Natur und dankt am wenigsten der Bildung: denn selbst über die Erziehung ist sie erhaben. Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät. Sie ist ein feiner Richtweg die Geschäfte abzukürzen, oder auf eine edle Art aus jeder Verwickelung zu kommen.

Dieses Zitat ist wirklich großartig, es fängt so ziemlich alles ein, was ich an Lena bewundere. (Und damit auch schon einen Teil des Zaubers.)



Nur nebenbei: Diese Unbefangenheit ist wohl eine der Ursachen, dass manche sie als "dumme Göre" oder als "eingebildete Zicke" wahrnehmen, mehr ein Zeichen der Unbedarftheit der so Denkenden.

Nicht nur Unbedarftheit. Auch wenn ich sonst vorsichtig bin mit der "Neid"-Keule - in dem Fall ist was dran. Besonders wegen des letzten Teils:


sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät. Sie ist ein feiner Richtweg die Geschäfte abzukürzen, oder auf eine edle Art aus jeder Verwickelung zu kommen... weil diese Unbefangenheit eben auch ein "Erfolgsrezept" ist. Solchen Menschen scheint mit einer Leichtigkeit alles zu gelingen, die manche unglaublich provoziert.

Viele reagieren auf solche Menschen spontan mit einem Unterlegenheitsgefühl, das in aggressive Abwehr umschlägt - obwohl das gerade hier unnötig ist; wer solche Wesensart eines anderen Menschen annimmt und sich darauf einlässt, der profitiert selbst davon, kann freier und leichter atmen. Nicht umsonst wirkt Lena auf viele Leute ja auch ansteckend.

Economist
06.02.2011, 21:03
Ich glaub, in dieser Bewertung spielt die gefühlte Gleichsetzung der Begriffe Unbefangenheit, Unbekümmertheit, Unbedarftheit, Unbeholfenheit und Naivität mit hinein. Aber gerade da liegt des Pudels Kern.
Unbefangenheit ist ein positiver Begriff, Unbekümmertheit wohl eher auch, die anderen sind negativ. Und sie bedeuten eben auch etwas völlig anderes.
Ich glaube, eine nähere Betrachtung des Begriffs Unbefangenheit hilft weiter: Man kann nur da unbefangen wirken, wo weder Befangenheit noch Erfahrung einsetzen konnte. Als Lena das erste Mal eine (größere) Bühne betrat, war sie zweifellos völlig unbefangen. Das kann heute nicht mehr so sein, da sie diese Erfahrung nun schon vielfach und in unterschiedl. Konstellationen machte. Gleiches gilt für Interviews, für Pressekonferenzen (ein Nöööööt! wird sie kaum so wiederholen, sowas klappt nur einmal), etc. Das ist zweifellos eine unvermeidbare Professionalisierung. Dennoch ist sie immer noch unbefangen, wenn es um Neues geht: neue Menschen, neue Situationen. Nur da kann Unbefangenheit sichtbar werden. Dabei ist sie im besten Sinne auch unbefangener als andere, die schon ein "Das geht doch nicht!" auf den Lippen haben, ehe sie es auch nur hinreich. betrachtet haben und vermeintl. Notwendigkeiten und Verbote hinterfragt haben. Ein Beispiel sei hier die "Titelverteidigung" und die Hallentour. (Natürlich läuft man rasch Gefahr, in Unbedarftheit abzurutschen, wenn man sich tatsächlich auf völlig idiotische undurchdachte Situationen einlässt und zu sehr anderen mit idiotischen Ideen vertraut, was wiederum eher eine Befangenheit denn Unbefangenheit wäre.) Unbefangenheit definiere ich also als reflektierte Offenheit Neuem gegenüber und Bereitschaft, auch Neues zuzulassen und dies ohne vermeintlich bestehende Zwänge nach Außen zu tragen.
(...)
Ja, das eine, Lenas Person, macht das andere, Lenas Kunst, erst möglich.

Ich schließe mich gauloises und Walter an - obige Ausführungen zum Stichwort Unbefangenheit treffen haargenau auch meine Sicht der Dinge (besser hätte ich es nicht ausdrücken können, auch ich halte das Auseinanderhalten von Unbedarftheit und Unbefangenheit in diesem Zusammenhang für geradezu essentiell), das Zitat von Baltasar Gracián passt hervorragend dazu, und auch ich bin der Meinung, daß Lenas Kunst ohne die Glaubwürdigkeit ihrer Person/Persönlichkeit nicht die wäre, die sie ist.

juppmartinelli
06.02.2011, 21:57
Ich glaube, eine nähere Betrachtung des Begriffs Unbefangenheit hilft weiter: Man kann nur da unbefangen wirken, wo weder Befangenheit noch Erfahrung einsetzen konnte. Als Lena das erste Mal eine (größere) Bühne betrat, war sie zweifellos völlig unbefangen. Das kann heute nicht mehr so sein, da sie diese Erfahrung nun schon vielfach und in unterschiedl. Konstellationen machte. Gleiches gilt für Interviews, für Pressekonferenzen (ein Nöööööt! wird sie kaum so wiederholen, sowas klappt nur einmal), etc. Das ist zweifellos eine unvermeidbare Professionalisierung. Dennoch ist sie immer noch unbefangen, wenn es um Neues geht: neue Menschen, neue Situationen. Nur da kann Unbefangenheit sichtbar werden. Dabei ist sie im besten Sinne auch unbefangener als andere, die schon ein "Das geht doch nicht!" auf den Lippen haben, ehe sie es auch nur hinreich. betrachtet haben und vermeintl. Notwendigkeiten und Verbote hinterfragt haben. (...) Unbefangenheit definiere ich also als reflektierte Offenheit Neuem gegenüber und Bereitschaft, auch Neues zuzulassen und dies ohne vermeintlich bestehende Zwänge nach Außen zu tragen.

Lars, wie alle meine Vorredner bin ich völlig einverstanden und sehr beeindruckt von dieser klaren Differenzierung. Vielen Dank! Dann sind wir auch völlig einer Meinung: Unbefangenheit in dem ersten von Dir unterschiedenen Sinne - die, die in einem gewissen Gegensatz zu "Professionalisierung" steht - kann LML heute nicht mehr in dem gleichen Sinne haben wie früher und es ist kindisch, das zu bedauern oder gar zum Vorwurf zu erheben. (Darauf kam es mir im Text an.) Unbefangenheit im zweiten Sinne hingegen charakterisiert LML heute genauso wie vor einem Jahr und hoffentlich für alle Zukunft.

Das Gracián-Zitat kann ich natürlich auch nur unterstreichen! :verehrung: Hätte ich vor einem Jahr kennen sollen, dann hätte ich mir die Mühe sparen können, mir unendlich weniger elegante Sätze abzuringen, die - so scheint mir - ungefähr dasselbe sagen sollen: "Du hast Star-Appeal. Menschen werden dich lieben. Das ist alles. Das kann man nicht lernen. Man hat es oder man hat es nicht. Daher können die, die es haben, es sich leisten, mit ihren Gaben gerade nicht nach Art der guten Wirtschafterin sparsam hauszuhalten, um sie zu mehren, sondern sie in geradezu aristokratischer Verschwendung zu verschenken. Sich nicht ängstlich an die Regeln zu halten, sondern in Freiheit mit ihnen zu spielen, Risiken einzugehen. Nicht die eigenen Fähigkeiten penibel zu dokumentieren, sondern sie zu ironisieren, damit herumzualbern, scheinbar nichts ernst nehmend – während die Braven, die sich das alles mühevoll angeeignet, eisern geübt und schwer gekämpft haben, fassungslos daneben stehen und die Ungerechtigkeit der Welt nicht mehr verstehen."

Tiny Tim
06.02.2011, 22:14
Sehr schön juppmartinelli, dann kann ich ja hier mein neues Lieblingszitat unterbringen (aus Lenas HP-Gästebuch):


von Stephan, 06.02.2011, 20:00

Es bleibt dabei, daß Lena in den Augen einiger Musik-Calvinisten Ursünde pur bleibt. Einfach daher zu kommen und mit Spaß an der Freud und Unbeschwertheit erfolgreich zu sein, weckt offenbar tief sitzende Ängste. "Einfach so" Erfolg zu haben ist einigen sehr suspekt. Darf man das als Publikum überhaupt gut finden? Da nicht sein kann, was nicht sein darf, werden "wichtige" Kriterien bemüht, wie eine "richtige" Künstlerin zu sein hat. Alles andere ist dann eben nur "Hype" oder "Verblendung".

Ben
06.02.2011, 22:41
Bin auch gerade erst drauf gestoßen. Der Original-Text und all die ausfühlichen Kommentare hier decken alles ab und ich habe nichts hinzuzufügen :D

Ach, eine Sache habe ich doch! Vorsicht Rechtschreib-Polizei...
Im vorletzten Abschnitt steht SpontanEItät -- Ei...Ei... Ei...Ei... Ei did...

Tiny Tim
06.02.2011, 22:45
Ach, eine Sache habe ich doch! Vorsicht Rechtschreib-Polizei...
Im vorletzten Abschnitt steht SpontanEItät -- Ei...Ei... Ei...Ei... Ei did...

Das ist aber korrekt so: Spontane-ität. :)

bates
06.02.2011, 22:45
Ach, eine Sache habe ich doch! Vorsicht Rechtschreib-Polizei...
Im vorletzten Abschnitt steht SpontanEItät -- Ei...Ei... Ei...Ei... Ei did...

Sowohl "Spontaneität" wie "Spontanität" sind korrekt.

Ben
07.02.2011, 01:20
Oha wirklich? Wusste ich gar nicht :D

Economist
07.02.2011, 02:04
Lars, wie alle meine Vorredner bin ich völlig einverstanden und sehr beeindruckt von dieser klaren Differenzierung. Vielen Dank! Dann sind wir auch völlig einer Meinung: Unbefangenheit in dem ersten von Dir unterschiedenen Sinne - die, die in einem gewissen Gegensatz zu "Professionalisierung" steht - kann LML heute nicht mehr in dem gleichen Sinne haben wie früher und es ist kindisch, das zu bedauern oder gar zum Vorwurf zu erheben. (Darauf kam es mir im Text an.) Unbefangenheit im zweiten Sinne hingegen charakterisiert LML heute genauso wie vor einem Jahr und hoffentlich für alle Zukunft.

Wenn ich noch ergänzen darf: Die Trennlinie zwischen völlig gerechtfertigter und eigentlich auch unvermeidbarer Professionalisierung einerseits und Befangenheit andererseits liegt für mich da, wo das eigene Verhalten in eine Abhängigkeit von der Erwartungshaltung des Publikums und der Medien gerät - wenn also die Schere im Kopf einsetzt, weil man eine ansonsten erwartete kritische Reaktion vermeiden will. Denn genau dann ist die Gefahr des Stillstands und des Ausbleibens einer künstlerischen Weiterentwicklung groß, denn vom Publikum und den Medien kommt der Anstoss zu einer Veränderung bestimmt nicht!

Unbefangenheit ist also nicht anderes als die Demonstration von Unabhängigkeit, dem Folgen des inneren Kompasses (wie ich immer sage), und damit auch des Führens von Erwartungen Anderer. Lenas Unbefangenheit fußt schlicht in ihrem großen Vertrauen in sich selbst - eine Haltung, die nur von denjenigen mit Überheblichkeit verwechselt werden kann, denen eben solches Selbstvertrauen abgeht oder die sogar unter Minderwertigkeitskomplexen leiden (womit wir wieder beim Neid wären). Die Menschen also, die bei allem, was sie tun, ständig der Gedanke plagt "Was werden bloss die Leute sagen?". Diese Art von Befangenheit wird Lena Zeit ihres Lebens, da bin ich mir sehr sicher, wohl nie zeigen.

Peter M. aus V.
07.02.2011, 02:08
Ich habe außer Deinem außergewöhnlich bedenkenswertem Artikel erst zwei Seiten gelesen und so viel Stoff zum Nachdenken, dass ich noch gar nicht antworten kann. Nur soviel: Einige Eurer Gedanken haben meinen Blick auf Lena und ihre Entwicklung vielleicht nicht verändert, aber geschärft. Wirklich klasse. Was die Begriffe angeht: Bisher war Unbekümmertheit eins der Worte, das Lenas Herangehensweise an das Leben treffend kennzeichnete; nach Euren Überlegungen ist es jetzt eher die Unbefangenheit. Es war nie die Unbedarftheit.

Weiter so! Ich werde mich beteiligen, zu menschlicheren Tageszeiten.

edit: Kaum geschrieben, sehe ich einen neuen Beitrag, der mir klar macht, dass ich die beiden anderen Seiten dringend noch lesen muss....

Axel1954
07.02.2011, 08:16
Was mich an Lena fasziniert ist aber auch das sie diese ganzen Eigenchaften in einer Weise zelebriert ohne dabei den Sonnenkönig(in) raushängen zu lassen.
Ich bin der Meinung das viel mehr Leute garnicht so neidisch auf die mit leichtigkeit Erfolgreichen sehen, wenn denn nicht so viele immer den großen Zampano raushängen lassen würden.
Das extrem sympatische ist an Lena das sie ihren Erfolg leise und mit Würde zelebriert, genießt und nicht mit riesen Pomp und Tratra, was man immer besonders dann sieht wenn sie so Aktionen wie die GoKa erledigen muß.

ranzig
10.02.2011, 06:59
Hmm - ich hab jetzt ein bisschen nachgedacht über das, was sich verändert hat. Es gibt da noch einen Aspekt, den der Blogbeitrag nicht adressiert, und der mir etwas im Magen liegt. Ich will mal versuchen, ihn zu beschreiben:

Bei USFO hat mich an Lena auch besonders beeindruckt, wie sie mit dem Casting-Format umgegangen ist. Man erinnere sich an die kolportierte Geschichte „My Same – oder ich gehe wieder“ oder auch die genial-ironische Wahl des Casting-Songs „Diamond Dave“. Jeder Beitrag war eine kleine, nicht triviale Geschichte. Lena hat glaubhaft vertreten, dass sie kompromisslos auf die Qualität ihrer Darbietung und damit auch des Songmaterials Wert legt. Stefan Raab hat das mal – glaube ich - „Haltung“ genannt.

Nach USFO wurde IMHO der Anspruch an das Songmaterial runtergeschraubt. Vielleicht nicht musikalisch, da bin ich zu sehr Laie, aber inhaltlich. Die Geschichten wurden seichter und sind für meinen Geschmack etwas zu häufig in der „Herz-Schmerz“- bzw. „Easy-Listening“-Ecke angesiedelt. Die Ausnahmen - bei GN sind das m.E. vor allem TbaS und PF – entwickeln auch gleich wieder den alten Zauber. Bei MCP verständlicherweise ein Zeitproblem. Aber bei GN?

An anderer Stelle habe ich nach der Motivation von Lena bei USFD gefragt und bin dabei dahingehend missverstanden worden, dass ich Lena einen unmotivierten Vortrag unterstellt habe. Mitnichten! Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Kompromisslosigkeit, die Lena ausgezeichnet hat, nachgelassen hat. Ich würde mal behaupten, dass sie TG bei USFO nicht gesungen hätte, sie in dieser Beziehung vielleicht sogar unbedarfter geworden ist.

Bleibt die Frage nach der Ursache dieser Veränderung. Man liest im Forum oft Beiträge, die in die Richtung gehen: Alles Kommerzielle und Unschöne hat BP und ggf. Raab zu verantworten, alles Edle und Gute geht auf Lenas Kappe. Ist für meinen Geschmack etwas zu einfach, weil Lena ja bei USFO sich auch erfolgreich gegen „den Apparat“ gestellt hat. Warum also jetzt nicht mehr? Ich vermisse nicht den Mezzo-Lippenstift, sondern die klare Kante.

Mein Verdacht: Die gemeinsamen Erfolge (ja, das erfolgreiche Satellite ist auch eine Herz-Schmerz-Nummer) haben eine Gemeinschaft geformt, deren Output eher Kompromisse sind. Das Schielen auf den kommerziellen Erfolg mag auch ein Grund sein. Alles menschlich und absolut nachvollziehbar (sie ist ja auch noch sooo jung) – aber schade kann man es trotzdem finden. Nach Oslo hätte damit Schluss sein sollen.

Lars
10.02.2011, 11:33
Eine durchaus nachvollziehbare Kritik, ranzig.
Allerdings ist Kompromisslosigkeit leichter, wenn man sich Songmaterial frei aus der Fülle jemals Erschienenes aussuchen kann, es also um Coversongs geht. Anscheinend (oder nur scheinbar?) ist das bei neuem Material nicht so. Lena sagte, dass sie Aloe Blacc angesprochen habe, ihr einen Song zu schreiben. Das mit Erfolg, auch was das Ergebnis angeht, insbes. auch textlich. Ich nehme an, dass sie das auch mit anderen mögl. Songlieferanten getan hat, die ihr so über den Weg liefen. Gelegenheiten gab es ja durchaus. Kate Nash berichtete, gefragt worden zu sein (wenn wohl auch nicht von Lena selbst), aber wohl keine Zeit gefunden zu haben. Dann ist auch die Ausbeute aus 700 Schubladensongs aus aller welt nicht so hoch, wie man denken könnte. Wenn man da kompromisslos bleibt, ist ein Album nur halbvoll oder weniger. Kompromiosse meint dann, "Musik gut, Text na ja". Zudem die meisten Auftragssongschreiber werden kommerziell ausgerichtet sein. Es muss also nicht unbedingt Kommerzialität von Seiten Lenas sein.
(Ein Gegenargument wäre freilich die Äußerung von Errol (Nachname grad vergessen), der das durchaus grandiose AMAO mitschrieb, noch weitere Songs für Lena auf Lager zu haben. Aber hier spielt dann sicher auch die ominöse "ESC-Tauglichkeit" mit.)

Marc
10.02.2011, 12:17
Errol Rennalls hat das gesagt???

DerWolle
10.02.2011, 12:30
Ja, hat er, guckst Du hier:
http://www.neuepresse.de/Hannover/Uebersicht/Produzent-Errol-glaubt-an-seinen-Song-fuer-Lena

Marc
10.02.2011, 12:51
Vielen, vielen Dank, das sind wirklich Good News! Ich hatte mir gestern noch, ohne dies zu kennen, überlegt, ob Lena fürs dritte Album nicht zu Peppermint Jam wechseln sollte, falls die dazu bereit wären. Und sie sind es, scheint's! Lena hat Stefan Raab viel zu verdanken, aber er weiß, glaube ich, um seine Grenzen. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich in Freundschaft trennen. Raab hat ja am Montag sowohl in USfD als auch in TV total 1M1 selbst promotet. Danke, danke!

Muenzi
10.02.2011, 14:58
Es gibt einige Lieder GN (z.B. Teenage Girls), die textlich einfach schrott sind. Ich denke aber nicht, dass Lena da Kompromisse eingegangen ist. Sie findet diesen Song z.B. wegen der Musik einfach gut und hat den Text mal Text sein lassen. So ähnlich äußert sie sich mal.

Nach den wenigen Informationen, die man so mitbekommen hat, hat sich Lena bei TbaS eindeutig druchgesetzt. Jetzt der Favorit. Auch bei push forward scheint es mir so, dass der Gedanke, das als Ballade zu bringen, von Lena kam und von den Songschreibern dann aufgegriffen und mit Lena gemeinsam umgesetzt wurde. Jetzt der einzig ernst zu nehmende Mitfavorit. Zumindest an den entscheidenden Stellen, scheint mir da keine zu große Kompromissbereitschaft von Seiten Lenas zu sein.

Falls dies doch bei einigen anderen Songs der Fall gewesen ist, hat das Album gezeigt, dass Lenas eigener Geschmack, mit dem sie die USFO-Lieder herausgesucht hat und mit dem sie auf das Album bzw. die USFD-Lieder Einfluss genommen hat, die beste Richtschnur für ihre weitere musikalische Entwicklung ist.

bates
10.02.2011, 15:36
Ganz sicher wird Lena auch irgendwelche Kompromisse eingegangen sein - in dem Rahmen, in dem das Album entstanden ist, ist das m.E. gar nicht anders möglich -; allerdings sind Kompromisse auch nicht per se des Teufels.

Axel1954
11.02.2011, 22:08
Der Letzte Absatz fasst alles zusammen was für mich einen Großteil der Faszination am "Projekt Lena" ausmacht!


Lena Meyer-Landrut kann nicht, wird nicht und soll nicht für immer die unbekümmerte USFO-Lena sein. Wer unter ihrem Zauber immer wieder nur ihren zu Herzen gehenden Jubel nach My Same oder ihre Tränen beim Gewinn des Finales begreifen kann und nicht offen für Neues von ihrer Seite ist, wird das Beste verpassen. Es gibt keinen zweiten Urknall. Man kommt nur einmal zur Welt. Und das ist gut so. Man liebt einen Menschen nicht, indem man ihn zwingt, ständig so zu bleiben, wie er war, als man ihn das erste Mal sah, sondern indem man sich darauf freut, mit ihm gemeinsam zu erleben, was aus ihm wird.

Tiny Tim
08.12.2011, 21:02
Wo ich es grad gelesen und mich drüber gefreut habe, hierzu ein schönes Zitat von Baltasar Gracián (aus Handorakel und Kunst der Weltklugheit):


Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. Diese ist das Leben der Talente, der Athem der Rede, die Seele des Thuns, die Zierde der Zierden. Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. Sogar im Denken wird sie sichtbar. Sie am allermeisten ist Geschenk der Natur und dankt am wenigsten der Bildung: denn selbst über die Erziehung ist sie erhaben. Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät. Sie ist ein feiner Richtweg die Geschäfte abzukürzen, oder auf eine edle Art aus jeder Verwickelung zu kommen.

Über diesen "Schmuck der Vollkommenheiten" hinaus besitzt Lena noch eine weitere Königstugend, nämlich die der Großmut (griech. megalopsychia):


Sie wird bestimmt als diejenige Tugend, die es hauptsächlich mit (dem äußeren Gut) der Ehre (griech. time) zu tun hat – der Ehre, die nach der Ethica Nicomachea das Telos der politischen Lebensform ist –, als die rechte Mitte zwischen den negativen Extremen von Kleinmut (griech. mikropsychia) und Aufgeblasenheit (griech. chaunotes). Großmut ist die Haltung dessen, der großer Güter und demzufolge großer Ehre würdig ist und sich ihrer auch würdig weiß. Sie ist daher zu unterscheiden von der namenlosen Tugend des Besonnenen (griech. sophron, hier im Sinne von Bescheidenen), der mäßiger oder kleiner Ehre würdig ist und sich ihrer würdig weiß, d.h. der rechten Ehrliebe (philotimia im positiven Sinne), die zwischen Ehrsucht (griech. philotimia im negativen Sinne) und Ehrvergessenheit (griech. aphilotimia) in der Mitte liegt und sich zur Großmut verhält wie Großzügigkeit zur Großartigkeit.

[Historisches Wörterbuch der Philosophie: Großmut. HWPh: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, S. 887f.]