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tisch
02.10.2013, 01:30
Ein Festival-Besuch am Donnerstag

Nach dem eindrucksreichen Festivalabend letztes Jahr (http://www.lenameyerlandrut-fanclub.de/forum/showthread.php?6835-%28Live-%29berichte-vom-Reeperbahnfestival&p=404808&viewfull=1#post404808) ergab sich die Gelegenheit, den Donnerstag zu wiederholen. Zwar ohne Lena, aber auch wieder einigen Acts, die neugierig machten.
Dieses Jahr viel früher am Ort des Geschehens durchstreife ich den Spielbudenplatz zur Orientierung schon vor 19.00 Uhr. Und da steht doch tatsächlich bereits eine kleine Horde von Menschen vor dem Tivoli an – James-Blunt-Jünger, die dieses Jahr den Platz der Lenaisten einnehmen? Der Schmusesänger ist schließlich der Hauptact des NDR2-Abends. Das Wetter ist schön, der Spielbudenplatz dieses Jahr als Fress- und Merchandising-Meile aufgebaut – da bleibt man doch erst einmal an der (frischen?) Luft und hört sich Alvin Zealot (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/alvin-zealot/) auf der Stage West an: Zwei Gitarren, Percussionist. Soll ein Schweizer Indie-Rocker sein, klingt aber etwas lahm. :gaehn:

Also weg und rein in den ersten Club – bzw. die Kneipe Das Herz von St. Pauli, die heute eine Bühnenfläche freigeräumt hat, auf der Ella vs. Mountain (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/ella-vs-mountain/), eine israelischen Singer-Songwriterin (ist ihr Künstlername von Marina and the Diamonds inspiriert?) – nur mit Gitarrist im Gepäck, sie selbst manchmal am Xylophon – ihre Musik präsentiert. Es ist beeindruckend, wie viel Klang diese eineinhalb Instrumente und Ellas Stimme in den mit knapp 200 Leuten dicht gefüllten Laden bringen. Der Sound ist richtig gut ausgesteuert, die ruhigen Lieder gefallen, keiner geht vorzeitig und es gibt viel Applaus zwischen den Songs und natürlich zum Konzertabschluss. :wub:

Um 20.00 Uhr geht es rüber ins Docks, wo Stu Larsen & Natsuki Kurai (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/stu-larsen-natsuki-kurai/) ziemlich beste Freunde geben. Der Australier mit dem schwedischen Namen und Aussehen ist mit Gitarre und gern einmal die Kopfstimme quälenden Gesang eher gewöhnlich, sein japanischer Kumpel macht dagegen mit seinen diversen Mundharmonikas zur Begleitung viel Spaß und hebt das Konzert deutlich über das Niveau durchschnittlicher Straßenmusik, die man in jeder nächstgelegenen Fußgängerzone findet. Zu Beginn des Konzert verlieren sich die rund 250 Besucher, die nicht überschwänglich aber sehr anständig applaudieren, fast im Saal. Ganz vorne sind tatsächlich eine Handvoll jubelnder Fans zu bestaunen. Auf der Bühne stehen bereits Schlagzeug und Schriftzug für den Hauptact des Abends. Im Verlauf des Konzerts füllt sich der Saal zunehmend, aber das ebenfalls zunehmende Gemurmel unter den Zuschauern zeigt deutlich, dass man sich vorwiegend gute Plätze für das folgende Kate-Nash- Konzert sichern will. :zahn:

Kurz vor Konzertende geht es raus und hundert Meter den Spielbudenplatz weiter gen Westen zu Elif Demirezer (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/elif/), die als Band Gitarristen, Keyboarder und Schlagzeuger mitgebracht hat. Das Tivoli ist noch locker gefüllt, viele bleiben auch zunächst im unbestuhlten Innenraum sitzen. Leider ist der Sound im Saal auch dieses Jahr wieder mäßig. Der Name der gepushten Sängerin zieht jedenfalls diverse Fotografen zu Konzertbeginn an den Bühnenrand. Als zweiter Song kommt ‚Unter meiner Haut‘, die Stimmung hebt sich – ebenso wie das Publikum – bordet aber nicht über. Elif müht sich redlich, diverse Köpfe im Innenraum wippen und singen auch den geforderten Refrain mit. Der Applaus ist ebenfalls recht gut. Mich packt sie leider nicht, was auch an der wenig einfallsreichen Instrumentierung und Unterstützung ihrer Band liegt. Wie schon aus Berlin berichtet, übertreibt sie es manchmal mit der Animation – mich turnt das eher ab. Andererseits gibt Elif sehr viel von sich preis und berührt mit ihren Texten, ihren Überleitungen und Ansagen – Respekt vor so viel emotionaler Offenheit. Die aktuelle Single ‚100 Tage Sommer‘ als letzter Song gefällt, leidet aber auch unter der mäßigen Band.

Jetzt schnell zurück ins inzwischen dicht gefüllte Docks, in dem Kate Nash (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/kate-nash/) gerade ihre Wandlung zum Punk-Girlie abschließt. Das Keyboard ist weg, ihre alte Band auch. Stattdessen steht sie an der E-Gitarre und hat eine „fucking-girl-band“ dabei: drei Musikerinnen an E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug, die einen rumpeligen Garagensound produzieren. Der Klang ist jedenfalls so mies, wie es sich für ein Punk-Konzert gehören würde – gegenüber dem vorhergehenden Konzert im gleichen Saal fällt er jedenfalls stark ab. Jetzt zeigt sich auch der Nachteil des eher langgezogenen Konzertsaals des Docks, in dem hinten Sicht und Lautstärke zu wünschen übrig lassen. Vor der Bühne ist die Stimmung jedoch ausgesprochen gut, oben im Rang eher verhalten. Für ihre Hits ‚Doo-Wah-Doo‘ und ‚Mouthwash‘ macht sich Kate Nash von ihrer Gitarre frei und geht auf der Bühne voll ab. Ihre Fans haben einige rote Herzluftballons mitgebracht, von denen sie bei ‚Pumpkin Soup‘ einen in ihre Performance einbaut, was selbstverständlich super ankommt. Dann greift sie selbst zum E-Bass, was den Sound noch einmal „garagiger“ wirken lässt. Zwischendurch stellt sie ihre Band vor und ermuntert alle Mädchen doch selbst Musik zu machen, bevor sie als 84-jährige lustlos durch die Straßen schleichen. Trotzdem bleibt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man ihre drei Musikerinnen sieht, die mit langen Haaren, schlanken Körpern, allesamt im kleinen Schwarzen sehr uniform aussehen und nur für den Zweck des Eindrucks der früher süßen und jetzt dreckigen Mädchen gecastet wirken. Kate Nash mit braun-orangen Herzchen-Leggings, schräg geschnittenem Kleid gleichen Musters und Cinderella-Krone sticht deutlich heraus und zieht ihre Show ab, die vielen aber bei weitem nicht allen Anwesenden gefällt. Eine richtig gute Idee ist jedenfalls, zum letzten Song gut zwanzig Mädchen auf die Bühne zu holen, die dann dort zusammen abtanzen und den Schlussapplaus miterleben dürfen. :)
Kate Nashs Weiterentwicklung ist gewöhnungsbedürftig. Wer sich auf ein Kate-Nash-Konzert begibt, sollte sich tunlichst vorher informieren, was ihn erwartet. Ein Kritiker schrieb zum Konzert: ‚Kate Nash ist jetzt da, wo sie immer sein wollte‘. Mein Eindruck dagegen ist, dass sie sich noch lange nicht selbst gefunden hat. Einen guten Einblick in ihren derzeitigen Gemütszustand gibt dieses laut.de-Interview (http://www.laut.de/Kate-Nash/Interviews/Es-geht-nur-um-Oberweiten-22-03-2013-1020).

Es dauert lange, aus dem Docks herauszukommen. Dann geht es um den Häuserblock herum in die schon proppevolle Prinzenbar zu Tubbe (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/tubbe/), wo die Crowd bei den wummernden Elektrobeats abgeht. Für mich ist es zu laut, das Licht zu grell und die Lyrics der Sängerin sind nicht ansatzweise zu verstehen – was der Stimmung aber keinesfalls abträglich ist. :)

Also weiter in die nächste Location, den wiedereröffneten Mojo-Club unter den neu gebauten „Tanzenden Türmen“ am Reeperbahn-Eingang. Um 23.00 Uhr ist Ghostpoet (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/ghostpoet/) (HipHop/Rap) angekündigt. Der Club ist wirklich schön geworden – kein Wunder, dass hier inzwischen viele angesagte aber noch kleine Acts auftreten. Von Ghostpoet bleibt die Erkenntnis, dass dieser Musikstil nicht meiner ist. :binweg:

Spontan wird die Neugierde, wie sich wohl James Blunt abseits der großen Hallen schlägt, auf die Medienberichterstattung verdrängt und sich für den interessantesten Spätauftritt – Gloria (http://www.reeperbahnfestival.com/music/programm-2013/detail/program/gloria/) in den Fliegenden Bauten – entschieden. Diese sind komplett bestuhlt, aber die Angst von Klaas Heufer-Umlauf, dass niemand diese Band sehen will, scheint unbegründet. Aber das Projekt ist ein Wagnis. Wie schon in diversen Artikeln angekündigt, steht da nicht der Spaß-und-Faxen-Typ von ProSieben am Mikro, sondern ein nachdenklicher, hintergründiger Frontmann, der hier er selbst ist. Die Band ist mit vier Gitarristen bzw. Bassisten sehr gitarrenlastig und hat darüber hinaus nur einen Schlagzeuger dabei. Dafür, dass es ihr erstes Konzert ist, ist die Band sehr gut eingespielt, was nicht zuletzt an dem guten NOCCU-Tour-Bekannten Marcus Schneider liegt, der neben Heufer-Umlauf und Wir-sind-Helden-Bassist Mark Tavassol in erster Reihe positioniert ist. Heufer-Umlauf dagegen ist aufgeregt, man könnte dieses Jahr titeln: „Das Reeperbahn-Festival beginnt mit einem nervösen Klaas Heufer-Umlauf“. Das gibt er auch immer wieder offen zu und einmal verwechselt er die Songs auf der Setlist, so dass neu angesetzt werden muss. Aber er ist ein durchaus guter Sänger und einer dieser Menschen, die die nötige Ausstrahlung für das Zentrum einer Bühne haben. Es ist ein sehr sympathisches und auch ansprechendes Konzert. Es stellt sich aber leider das Phänomen der müden, von der Musik bereits satten und nur noch auf einige Songs neugierigen Festival-Besucher ein, die für den kontinuierlichen Abfluss aus dem Saal sorgen, unter dem auch Lena letztes Jahr leiden musste, so dass zum Ende des Konzert nur noch zwei Drittel der zu Beginn Anwesenden im Zelt anwesend sind. Für mich ist es das schönste Konzert des Abends und die CD wird unerwarteterweise Eingang ins heimische Regal finden. Deshalb wird auch die letzte Bahn geopfert, um das Konzert vollständig erleben zu können. :)

So klingt der Abend in einem überfüllten Nachtbus aus und empfiehlt sich – falls irgend möglich – zur Wiederholung im nächsten Jahr. :trampel:

Aalerich
02.10.2013, 13:25
Vielen Dank für den interessanten Bericht.

synapse
02.10.2013, 14:38
Vielen Dank, Dein Bericht weckt schöne Erinnerungen an letztes Jahr!