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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Suzanne Vega



OldStephen66
12.02.2014, 01:30
Als spätberufener VEGAner schildere ich hier mal kurz (:D) meine ersten Eindrücke zum Suzanne Vega-Konzert im Gloria Theater Köln.

Anreise mit Zug, alle Fahrpläne und Varianten im Kopf. War ca. 18:45 an Ort und Stelle und reihte mich in die schon erfreulich lange Schlange vor dem Einlass ein. Was macht schon leichter Nieselregen, wenn der Marco-Polo-Laden noch die Markise ausgefahren hat? Dachte ich gerade und schon wurde sie eingezogen.
Die Garderobe ist sinnigerweise direkt bei den Toiletten, wohin eine enge Treppe ins Untergeschoss hinab führt. Wer genauer hinschauen will, kann den Männern beim Pinkeln zuschauen, während er/sie auf die Garderobe wartet. Der Stau ist jedenfalls vorprogrammiert.

Der Saal ist ein ehemaliges Kino/Theater, unbestuhlt, leicht abschüssig, bietet Platz für ca. 500 Besucher. Sehr gut gefüllt ist es jedenfalls. Ein halber Liter Weizenbier verkürzt die Wartezeit - mehr nicht, schließlich will man nicht während des Konzerts wieder zum Orkus hinabsteigen.

Um 20 Uhr erster Jubel, das Licht geht aus und auftritt: Seth Lakeman, Folkmusiker aus West Devon (England).
In Ordnung, ich nehme für die Rückfahrt den Zug eine Stunde später.
Schwung- und stimmungsvoller Folk mit keltischen Elementen zunächst auf der Fidel, später mit Gitarre. Seth hat das Publikum schnell auf seiner Seite und bietet zusammen mit seiner Partnerin eine halbe Stunde bester Beschallung. Balladen auf der Gitarre, temporeiche, rhythmische Nummern auf der Geige. So klingen sie in voller Bandstärke: http://www.youtube.com/watch?v=uRoDe80_XPw Wohlverdienter Applaus eines dankbaren Publikums - selbst beim Abholen ihrer Instrumente während er Umbaupause wurden sie nochmal bejubelt.

Suzanne Vega betritt mit ihrem irischen Partner Gerry Leonard - äußerlich eine äußerst sympathische Mischung aus Andy Summers und Bilbo Beutlin - um 21 Uhr die Bühne.
Wir - das in Ehren mit ihr gealterte Publikum - lassen von der ersten Sekunde keinen Zweifel daran, dass sie sich unserer Verehrung gewiss sein kann. Und Suzanne zahlt dieses Urvertrauen auf Heller und Pfennig zurück.

Ein ruhiger Auftakt mit zwei Klassikern: Marlene on the Wall und Caramel. Sparsame Bewegungen, wir sind in der hampelfreien Zone. Ich liebe das.

Dann ein Block mit neuen Stücken. Fools Complaint, Crack in the Wall, I Never Wear White und Jacob and the Angel (wenn ich mich recht erinnere). Man könnte fast sagen, der spirituellere Teil hat begonnen.
Es zeigt sich, dass Gerry Leonard an der Gitarre ein kongenialer Partner ist. Stoisch konzentriert, zurückhaltend und an den richtigen Stellen Gas gebend, ist er Suzannes starkes Rückgrat.
Suzanne, vom Temperament her nicht der Typ Rampensau, gibt sehr überzeugend den charmanten Conferencier. Ihr verschmitzter Humor erinnert mich ein wenig an Laurie Anderson (muss das New Yorker Gen sein). Selbst konventionellere Nummern (wie I Never Wear White) werden durch das perfekte Zusammenspiel der beiden veredelt. Suzannes Stimme kommt sehr klar rüber, Tourstress ist ihr nicht anzumerken.

Es gibt einen sehr schönen Mix aus alten und neuen Stücken: u.a. Small Blue Thing, Gypsy (Geschichte ihrer ersten Sommerliebe), Luka, Blood Makes Noise (extra für uns, wie sie betont: klasse!), Don´t Uncork, Song of The Stoic, Tom´s Diner, In Liverpool als Publikumswunsch (Solitude Standing wird diskret abgelehnt) und als besonderes Schmankerl: Lou Reeds Walk on the Wild Side in memoriam. Einzig Horizon fand ich ein wenig schwächer - na wenn schon.

Stürmischer Jubel, zwei Zugabenblöcke und dann ist nach gut anderthalb Stunden Schluss. Es hätte noch zwei Stunden weiter gehen können.

Auf Youtube gibt es schon die ersten Eindrücke:

http://www.youtube.com/watch?v=vtKBr3pPfkg

Tall Blonde Helicopter
12.02.2014, 10:13
Vielen Dank für Deinen Bericht, OldStephen; ich sehe zu, daß ich "zeitnah" auch meinen über das Münchner Konzert hier poste.

Zu der knallharten künstlerischen Provokation durch die Wahl der Kleidung, zu der Du Dich bereits im Letzte-CD/Platte-Thread bekannt hattest, fehlte mir übrigens der Mut; bei mir reichte es nur zu einer Jacke in unflamboyantem Beige. Aber heißt es nicht auch auf dem neuen Album: "My color is beige beige beige / For the bore and petit bourgeois"? ;)

Brummell
12.02.2014, 10:58
Zur Komplettierung des neuen Threads hier noch einmal der Link zu Gieselmanns Artikel
"Suzanne, Lisa & Alison
Drei begrüssenswerte Alben von Vorreitrerinnen des Autorinnenpops"

in dem er u.a. Suzannes neues Album bespricht:

"Auf Suzanne Vega hätte man vielleicht am wenigsten noch einen Heller gesetzt, aber ihr letzte Woche erschienenes VegaAlbum mit dem etwas umständlichen Namen „Tales from the Realm of the Queen of Pentacles“ klingt nach Prog-Folk, Americana und Bluegrass, und die Texte sind nicht etwa, wie der Titel vermuten liesse, von esoterischem Geschwafel sondern voll doppelter Böden und subtilen Märchen-Allegorien, so dass man stets nach die Repeat-Taste drückt, weil man zuhören und verstehen will. Vielleicht ein Hör-Effekt, der sich durch ihr ganzes Werk zieht, wenn man bedenkt, dass einer ihrer grössten Hits musikalisch eher belanglos daher kommt, aber aus der Ich-Perspektive eines misshandelten Kindes gesungen ist („Luka“). Vegas neue Platte also weist sie mehr denn je als einer der grossen lebenden Songwriterin und Sängerin aus."


http://gieselmann.typepad.com/blog/2014/02/suzanne-lisa-alison.html

Tall Blonde Helicopter
12.02.2014, 12:40
Eigentlich bin ich ja der Meinung, der Wert von Plattenkritiken liege ausschließlich darin, die Leser auf die Existenz von Musik hinzuweisen, die sie auf andere Weise nicht kennenlernen würden, aber man solle sich keinesfalls vom Tenor einer Rezension beeinflussen lassen, vielmehr ganz dem eigenen Urteilsvermögen und Geschmack vertrauen. Handelt es sich aber, wie nun bei Suzanne, um einen Künstler, der mir besonders am Herzen liegt, kümmert mich mein Geschwätz nicht... Und so empfinde ich durchaus diesen eitlen Stellvertreterstolz des langjährigen Fans darüber, daß mir noch keine "offizielle" Rezension begegnet ist, die "Tales" negativ bewertet hätte. Nach Suzannes Rauswurf bei Blue Note, der langen Wartezeit auf komplett Neues und ihrem hehren Bemühen, mit den reduzierten, halbakustischen Neueinspielungen der vier Close-Up-CDs wieder die Hoheits- und Verwertungsgewalt über ihren Backkatalog zu gewinnen (die Rechte der Originaleinspielungen liegen beim einstigen Label) ist das so umfassend positive Feedback Balsam für meine Fanseele und bleibt auf potentielle Käufer hoffentlich nicht ohne Wirkung.

Und, mit Blick auf Gieselmanns letzten Satz, noch diese Überlegung: Könnte Suzanne – popchronologisch eine frühe Vertreterin der Singer/Songwriter-Tochtergeneration – nach dem Abschied Joni Mitchells in den Ruhestand heutzutage die Mutterrolle zufallen? Der deutsche Rolling Stone schrieb von der etwas abgedrehten, aber liebenswerten und lebenserfahrenen Tante, das wäre noch ein weiterer Ansatz für die entsprechende Genealogie.

tisch
12.02.2014, 12:49
...

Was ich besonders an diesem Forum mag, sind ebendiese Konzertberichte über andere Künstler. :)

Jetzt blicke ich doch ein wenig wehmütig auf das nicht wahrgenommene Konzert zurück. Hier ein Bericht aus unserem Provinzfernsehen: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/media/hamj32283.html

Zampano
12.02.2014, 13:49
Was ich besonders an diesem Forum mag, sind ebendiese Konzertberichte über andere Künstler. :)


Haha, wollte gerade dasselbe schreiben... ist immer interessant zu lesen... :thumbsup:

Brummell
12.02.2014, 15:47
Eigentlich bin ich ja der Meinung, der Wert von Plattenkritiken liege ausschließlich darin, die Leser auf die Existenz von Musik hinzuweisen, die sie auf andere Weise nicht kennenlernen würden, aber man solle sich keinesfalls vom Tenor einer Rezension beeinflussen lassen, vielmehr ganz dem eigenen Urteilsvermögen und Geschmack vertrauen. Handelt es sich aber, wie nun bei Suzanne, um einen Künstler, der mir besonders am Herzen liegt, kümmert mich mein Geschwätz nicht... Und so empfinde ich durchaus diesen eitlen Stellvertreterstolz des langjährigen Fans darüber, daß mir noch keine "offizielle" Rezension begegnet ist, die "Tales" negativ bewertet hätte. Nach Suzannes Rauswurf bei Blue Note, der langen Wartezeit auf komplett Neues und ihrem hehren Bemühen, mit den reduzierten, halbakustischen Neueinspielungen der vier Close-Up-CDs wieder die Hoheits- und Verwertungsgewalt über ihren Backkatalog zu gewinnen (die Rechte der Originaleinspielungen liegen beim einstigen Label) ist das so umfassend positive Feedback Balsam für meine Fanseele und bleibt auf potentielle Käufer hoffentlich nicht ohne Wirkung.

Und, mit Blick auf Gieselmanns letzten Satz, noch diese Überlegung: Könnte Suzanne – popchronologisch eine frühe Vertreterin der Singer/Songwriter-Tochtergeneration – nach dem Abschied Joni Mitchells in den Ruhestand heutzutage die Mutterrolle zufallen? Der deutsche Rolling Stone schrieb von der etwas abgedrehten, aber liebenswerten und lebenserfahrenen Tante, das wäre noch ein weiterer Ansatz für die entsprechende Genealogie.

Ich habe ja schon immer gesagt Gieselmann ist ein "Guter" mit Sensibilität und Geschmack . :tippen: :whistle:

sound
12.02.2014, 16:58
schildere ich hier mal kurz ..............
Hast mich echt voll abgeholt, pespekt und Danke für deinen großartigen Bericht, wirklich klasse.

OldStephen66
12.02.2014, 20:53
Jetzt blicke ich doch ein wenig wehmütig auf das nicht wahrgenommene Konzert zurück.

Du warst also "nicht dabei". Schade. Ich habe mir vorgenommen, dem ersten Impuls, ein Konzert besuchen zu wollen, wieder öfter zu folgen als ich es in den letzten Jahren getan habe. Ich stelle immer wieder fest, dass es mich "reicher" macht.

Wenn du dir jedoch Suzannes YouTube-"Chronik" der letzten Jahre allein für Köln ansiehst, wirst du feststellen, dass sie sich auf deutschen Bühnen durchaus nicht rar macht (2009 - 2012 - 2014). Sie wird ihre VerehrerInnen, da bin ich sicher, in relativ kurzer Frist wieder beglücken. Und ihre Fangemeinde ist, wie im ndr-Bericht ja auch klar gesagt wurde, sehr treu. In mir hat sie einen Getreuen hinzu gewonnen - und meine Gefährtin wird nächstes mal auch mitgenommen, da gibbet nix!

Tall Blonde Helicopter
12.02.2014, 21:51
Hier noch "ein paar" Worte zum Münchner Konzert von gestern abend, die OldStephens Köln-Bericht vielleicht ergänzen.

Es fand im "Freiheiz" statt, einem ehemaligen Heizkraftwerk mit heimelig wirkender renovierter Backsteinoptik, ein für ein Suzanne-Vega-Konzert sehr passender Ort, denn gedanklich beamt es sich von dort leicht nach Greenwich Village. Bei einem Fassungsvermögen von 800 Stehplätzen war die Halle sehr gut gefüllt, mit aufgelockerter seniorengerechter Stehdichte nach hinten raus; in der Mehrzahl setzte sich das Publikum – wie von OldStephen schon für Köln beschrieben – auch hier aus Leuten zusammen, die mit Suzanne älter geworden sind. Großteils vierzig plus, schätze ich, aber hier und da habe ich auch ein paar junge Nachwuchskräfte erspäht, die sich nicht völlig fehl am Platz zu fühlen schienen.

Seth Lakeman auch bei uns als Vorprogramm zu haben wäre schön gewesen, doch mit dem mir bis dahin unbekannten Berliner Marcel Brell ("Der Name ist echt, fragt meine Eltern") wurden qualitativ leider kleinere Brötchen gebacken. Wobei mich noch nicht mal der belanglose, wenig eigenständige Liedermacherpop störte, sondern Brells zeitweises wahnsinnig männliches Herumbrüllen (ja, ich übertreibe) und Arena-Animationen im Stile "Und jetzt, Müncheeeeen: Die Frauen singen uh-hu-huuu, die Männer singen oh-ho-hooo!" Das kam bei etlichen aber gut an, Brell bekam auch insgesamt viel Beifall, alles okay also in Sachen Entertainment und guter Laune in der Halle. Dennoch fand ich es als Einstimmung auf Suzanne so passend, als hätte vor einem Auftritt Leonard Cohens Jon Bon Jovi zur Klampfe gegriffen.

Das anschließende Warten dehnte sich ein wenig, war dramaturgisch aber durchaus wirkungsvoll, ob nun beabsichtigt oder durch ein kurzfristig aufgetretenes Problem verursacht. Immer mal wieder aufbrandendes Motivationsklatschen, und als Suzanne endlich auf der Bühne stand, schallte ihr in die Stille nach den Begrüßungsworten ein (nicht allzu vorwurfsvolles) "You're late!" entgegen. Ironischer Seitenblick auf den Rufer, tadelnd erhobener Zeigefinger: "Dafür dürft ihr jetzt noch eine weitere Minute warten, bis wir anfangen."

Ironie – ein Begriff, der für mich fest mit Suzanne verbunden ist. Vor allem in der Art, wie sie bei manchen Songs ihre begrenzte Gesangsstimme einsetzt, und der Sound dieses typischen Vega'schen Sprechgesangs findet sich wieder, wenn sie von der Bühne herab mit ihrem Publikum spricht. Wer immer noch glaubt, sie sei eine ätherische Folkelfe, nur weil sie mit ihrer Akustikgitarre im zerbrechlichen "Gypsy" auch mit Mitte fünfzig noch ihre englische Sommercamp-Liebe besingt, der sie als Achtzehnjährige dieses Lied schrieb, müßte spätestens dann eines Besseren belehrt sein, wenn er sie mit lässigem Alt erzählen hört, sie habe mit "ihm" noch immer Kontakt und ihn erst letzte Woche in London getroffen. Kollektives Aufseufzen.

Und dann ist da natürlich noch Gerry Leonard. Auch ich kann ihn nicht genug preisen, er ist einfach klasse. Seit nun schon etlichen Jahren Suzannes fester musikalischer Partner, dessen Kontakten das Aufgebot an Könnern aus dem David-Bowie- und Peter-Gabriel-Umfeld für das neue Album zu verdanken ist. In der kostensparenden Duobesetzung der Tour nimmt er mit seinen sechs, zwischendurch auch mal zwölf Saiten, seinen Pedalen, Effektgeräten und Loops eine ebenfalls entscheidende Rolle ein. Die reine Freude, ihm zuzuhören und zuzusehen: ein Spiel, das im doppelten Sinn Hand und Fuß hat – konzentriert, inspiriert, abwechslungsreich, ebenso unerschütterliches Fundament wie frickelige Garnierung. Von mir aus hätte er gern das Vorprogramm bestreiten können... Spannungsgeladen zum Beispiel die dunklen, bedrohlichen Klänge, die er zu "Solitude Standing" (im Gegensatz zu Köln uneingeforderter Bestandteil des Hauptprogramms) beisteuerte und zuweilen harmonisch nicht recht zu passen schienen – dann aber doch irgendwie die Kurve kriegten. Oder die Riffs bei "Blood Makes Noise" im dreckigen Fuzz-Sound, dann das Klanggewitter gegen Ende, das den Industrial-Charakter der Studiofassung aufgriff: Da kreischte, flirrte, waberte, kratzte, fauchte, knarzte und plingte es ganz wunderbar.

Insofern bin ich mit dem Eindruck nach Hause gegangen, nicht nur ein Suzanne-Vega-Konzert mit Begleitung erlebt zu haben, sondern in den Genuß eines veritablen Doppelpacks gekommen zu sein, eines Vega-Leonard-Konzerts: zwei großartige Künstler, von denen jeder gleichberechtigt seine Begabungen für das Entstehen des Gesamtbilds einbrachte.

Das Blog-Konzert unten bietet in knapp zwanzig Minuten in optimalem Bild und Ton vielleicht eine ganz gute Zusammenfassung dessen, worüber OldStephen und ich geschrieben haben – wenngleich es in diesem intimen Rahmen zurückhaltender gespielt ist als auf der großen Bühne: Luka, Crack In The Wall, I Never Wear White, Tom's Diner


http://www.youtube.com/watch?v=AndEMO__p2U

Zampano
12.02.2014, 22:39
Das Blog-Konzert unten bietet in knapp zwanzig Minuten in optimalem Bild und Ton vielleicht eine ganz gute Zusammenfassung...
http://www.youtube.com/watch?v=AndEMO__p2U

Schöööön... :thumbsup:

OldStephen66
12.02.2014, 22:42
Danke TBH, für deine erhellenden "paar Worte". Sie sind wie immer ein Genuss.
Deine Ergänzungen zum Zusammenspiel Vega-Leonard treffen voll ins Schwarze. Schön auch zu lesen, dass die beiden kein Standardprogramm runterspulen, sondern immer für Variationen gut sind.

Man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass der Fokus des Publikums bei einer Duo-Besetzung den beiden Akteuren praktisch keine Ablenkung und keine Rückszugsmöglichkeit gestattet. Diese Konzertsituation ist nicht für jeden Musiker vorteilhaft.
(Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein Interview mit Nils Lofgren, das auf der DVD "N.L. & Friends" zu sehen ist, indem er seine ersten, in seinen Augen desaströsen Gehversuche als Solo-Akustik-Performer in den 1990ern beschreibt. Und zu diesem Zeitpunkt war er weiß Gott schon ein ganz alter Bühnen-Hase.)
Suzanne und Gerry jedenfalls sind für diese Auftritte wie geschaffen, ein kompaktes, großartiges Duo, in dem jede(r) den ihr/ihm gebührenden Platz findet.

Schade für dich, dass der Support in München für dich in keiner Weise dein Konzerterlebnis "supported" hat. Nicht jedes Kontrastprogramm ist eine willkommene Abwechslung. :hmm:

OldStephen66
13.02.2014, 21:13
Das Blog-Konzert unten bietet in knapp zwanzig Minuten in optimalem Bild und Ton vielleicht eine ganz gute Zusammenfassung dessen, worüber OldStephen und ich geschrieben haben – wenngleich es in diesem intimen Rahmen zurückhaltender gespielt ist als auf der großen Bühne: Luka, Crack In The Wall, I Never Wear White, Tom's Diner

http://www.youtube.com/watch?v=AndEMO__p2U

On topic: Das ist wirklich wunderschön. Gerade die intime Nähe ist für mich im Nachklang des Konzerts von besonderem Reiz.

Off topic: Die Tiny Desk Concerts sind übrigens eine wahre Fundgrube. Habe mir gerade den zauberhaften Halloween-Auftritt von Neko Case (http://www.youtube.com/watch?v=FwRcPEg1MyE) angehört (bin durch Camera Obscuras letzte CD auf sie gestoßen).
Darüber hinaus sind neben VIELEN ANDEREN mir unbekannten Künstlern beispielsweise Lisa Hannigan (http://www.youtube.com/watch?v=r-B_fkZfWjk), die Cowboy Junkies (http://www.youtube.com/watch?v=1URQ0_9-Zyw), Bill Callahan (http://www.youtube.com/watch?v=MHVNUrcyJy8) und sogar die Pixies (http://www.youtube.com/watch?v=OcFHOGZ-6aM) (wenn leider auch wieder ohne Kim Deal) zu hören und zu sehen.

OldStephen66
16.02.2014, 21:57
Was an Konzertkritiken kommt, ist erwartbar sehr positiv: http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/koeln/Das-lange-Warten-hat-sich-gelohnt-article1264763.html
Hier lehnt man sich schon weit aus dem Fenster:

Das Publikum ist hingerissen. "All I ask you is to remember me", singt sie in "Rosemary". Was für eine bescheidene Bitte, denn dieses Konzert wird als eines der eindrucksvollsten des Jahres, auch wenn 2014 gerade erst begonnen hat, in Erinnerung bleiben.

Nicht, dass es wirklich nötig wäre, aber es ist schön, wenn die eigenen Eindrücke bestätigt werden.

Und vom Münchner Konzert gibt es auch schon zahlreiche Ausschnitte auf YT - leider (noch) nicht "Blood Makes Noise". Aber immerhin das hier: Walk On The Wild Side (http://www.youtube.com/watch?v=AU1GQYPqrQ0) - und was sie in Köln nicht spielte: Solitude Standing (http://www.youtube.com/watch?v=KlfTRZhy2eY), bei dem man am Ende Gerry Leonard genussvoll zuschauen kann, wie er mit einfachen Mitteln für musikalisch-atmosphärische Highlights sorgt.

Tall Blonde Helicopter
17.02.2014, 17:18
Meine Güte, hat diese MissMoreMusic etwa das komplette Münchner Konzert gefilmt? Neben anderem, was daran nicht so schön ist, kann man sich mit diesem Overkill doch auch den ganzen Zauber der (auch irrenden, verklärenden) Erinnerung zerstören. Aber welche Erinnerung eigentlich?

Bekannter: Und, wie war das Suzanne-Vega-Konzert?
MissMoreMusic: Keine Ahnung, muß ich mir selbst erst mal in der Tube anschauen.

Sensationellerweise war der allergrößte Teil des Publikums an diesem Abend der Ansicht, daß (Er)Leben sogar dann wahr ist, wenn es nicht im Display eines Smartphones stattfindet.

OldStephen66
17.02.2014, 17:46
In Köln gab es zum Glück auch nur recht wenige Smartphone-Zombies. Ein Fotograf hatte sogar eine richtige Kamera dabei. Voll retro!
Mein Handy kann übrigens nur telefonieren. Ist echt antik!

OldStephen66
25.02.2014, 11:54
fast off topic:

Meine Güte, hat diese MissMoreMusic etwa das komplette Münchner Konzert gefilmt?

Ja, hat sie. Es gibt das Konzert neben allen Einzelclips auch in voller Länge zu sehen.:aua:
Diese Frau ist offenbar ein totaler YouTube-Junkie, denn sie hat ein paar Tage später auch das gesamte Konzert von Bill Callahan (19 Videos) durch die Linse gesehen. Zudem gibt es von ihr tausende (!) weitere Videos im Netz. Völlig gaga! Vielleicht ist sie aber auch eine Borg und hat die Technologie sowieso implantiert.

Allerdings habe ich so indirekt leider mitbekommen, dass ich Bill Callahan in Köln leider verpasst habe. Hätte ich mir sonst wohl auch reingezogen.

Randwer
27.02.2014, 11:19
fast off topic:


Ja, hat sie. Es gibt das Konzert neben allen Einzelclips auch in voller Länge zu sehen.:aua:
Diese Frau ist offenbar ein totaler YouTube-Junkie, denn sie hat ein paar Tage später auch das gesamte Konzert von Bill Callahan (19 Videos) durch die Linse gesehen. Zudem gibt es von ihr tausende (!) weitere Videos im Netz. Völlig gaga! Vielleicht ist sie aber auch eine Borg und hat die Technologie sowieso implantiert.

Allerdings habe ich so indirekt leider mitbekommen, dass ich Bill Callahan in Köln leider verpasst habe. Hätte ich mir sonst wohl auch reingezogen.
MissMoreMusics Aufnahmen von Scout Nibletts Konzert in Hamburg kannte ich sogar schon. Für Bootlegs haben jene Clips eine überdurchschnittliche Qualität.

Tall Blonde Helicopter
27.02.2014, 13:45
Ich möchte ja gar nicht behaupten, daß ich mich nicht auch über dieses oder jenes auszugsweise Video-Bootleg in der Tube freue, das es mir in Maßen ermöglicht, Selbsterlebtes aus anderer Perspektive zu sehen oder einen Eindruck von Nichterlebtem zu bekommen. Aber Mitschnitte dieses Umfangs und – wie Du schon sagst, Randwer – dieser Qualität empfinde ich als kräftigen Tritt gegen das Schienbein des Künstlers – auch wenn es, ohne kommerzielle Hintergründe, wirklich nur als umfassende Hommage an den Musiker/das Konzert/das eigene Erlebnis gemeint sein mag. Deswegen schätze ich diese Session-Blogs so sehr, auf die ich in einem anderen Thread verwiesen habe: zwei, drei, vier Häppchen in intimer Unmittelbarkeit und ausgezeichneter Bild- und Tonqualität, vom Musiker selbst gewählt und kontrolliert in die Welt gesetzt.


Ende Januar war Suze übrigens schon mal in Deutschland, auf Sender-Promo-Tour, ganz offiziell gefilmt.

"Tom's Diner" hier bei uns beim BR: http://www.youtube.com/watch?v=xe87X1pMz18
Und beim HR "Jacob and the Angel" vom neuen Album: http://www.youtube.com/watch?v=vkQWAfPYCU8

Die Soundqualität wirft noch mal ein schönes Spotlight auf den genialen Gerry, ganz gewiß guter, großer Griffbrett-Gott...

Randwer
27.02.2014, 14:34
Naja, ein zweischneidiges Schwert, sind Bootlegs allemal. Ob die Künstler, Veranstalter und Labels einverstanden sind oder überhaupt gefragt wurden, weiß man meistens nicht. Außerdem dürfte die GEMA etwas gegen die öffentliche Präsentation der Mitschnitte haben. Durch Nebengeräusche, Wackler und die meist verwaschene Bild- und Tonqualität haben die Clips eher den Charakter eine Zeitzeugendokuments. Und wenn man so auf die Clickzahlen schaut, dann sieht man schon, dass die Bootlegger damit keinen Reibach machen können. Und das authentische Erlebnis eines echten Konzertbesuch können die YouTube Clips ohnehin nicht ersetzen. Ein Ersatz für Tonträger sind sie auch nicht, viel eher Appetithappen.

Tall Blonde Helicopter
21.10.2016, 12:39
Tolle Interpretation, toller Text, tolle Frau – richtig, ich finde Suzanne auch 2016 immer noch ganz gut. ;–) In "Harper Lee" (https://www.youtube.com/watch?v=g-bMa_JYRTw#t=27m14s), einem der Songs aus ihrem neuen (Konzept-)Album "Lover, Beloved", lästert sie in der Rolle der US-Schriftstellerin Carson McCullers (1917-1967) über die lieben Kollegen. Passend zur gerade stattfindenden Frankfurter Buchmesse ...

OldStephen66
23.10.2016, 21:09
Das Loungekonzert gibt einen sehr schönen Eindruck ihrer Konzerte auf der aktuellen Tour. Danke für den link und den Wink, @TBH.

Suzannes auf mich ein wenig scheu wirkende Professionalität macht sie mir immer wieder äußerst sympathisch. Zwischendurch gibt es auch mal ein paar spontane (?) Variationen im Bühnenscript: in Köln borgte sie sich eine Zigarette aus dem Publikum, um emotional und optisch nahe an eine Bühnenversion von Carson McCullers heran zu kommen - ich schätze, dies wird sie auch bei anderen Konzerten getan haben, wo das Publikum sie ein wenig frenetischer feierte als die hier zunächst ein wenig reservierteren, weil sitzenden Besucher.
Schön übrigens auch der Gruß an den Wahlberliner Joe Jackson (https://youtu.be/g-bMa_JYRTw?t=844) nach "Left of Center" - sie vergißt halt niemanden, der ihr mal beiseite stand. Von ihm hätte sie sich übrigens auch eine Zigarette borgen können.

Gerry Leonard ähnelt noch mehr als beim letzten Mal Bilbo Beutlin und ist wie immer eine Ohrenweide. Zudem bringt Keyboarder Jason Hart ein paar mehr Farben auf die Klangpalette - ein schöner Bonus im Vergleich zu ihrer letzten Tour.

In diesem "Berlin live"-Konzert tritt sie jedoch ohne Jason Hart auf, allerdings vor einem enthusiastischeren Publikum, daher auch wieder mit Zigarette (und Zylinder) - und einem alternativen Auftaktsong: "Fat Man & Dancing Girl:"


https://www.youtube.com/watch?v=-5REUOULDvQ

Peter M. aus V.
23.10.2016, 22:15
Danke für die Links - und für die Erinnerung an einen schönen Abend.

Eulenspiegel
24.04.2018, 12:43
Sie ist neben neben Milow ist einer der ersten beiden Künstler bei den Night of The Proms in Belgien und den Niederlanden.
Ob in Deutschland auch