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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blues in Chicago



blaufink
18.09.2016, 11:52
Ich möchte ein kleines Angebot in den Raum stellen: Besteht Interesse an einem Fotobericht über den Blues in Chicago? Hintergrund: In diesem Sommer war ich zum dritten Mal mit Freunden in der Stadt. Zwar bin ich kein wirklicher Blues-Fan und werde es wahrscheinlich auch nie werden, aber geführt von zwei Insidern aus unserem Kreis waren wir in verschiedenen Blues-Clubs (inzwischen in so ziemlich allen, die es in Chicago gibt) und an anderen blues-geschichtsträchtigen Orten. Ich habe Fotos gemacht und Stichworte notiert, so dass genügend Material für einen kleinen Reisebericht bereit liegt. Jedoch werde ich nicht über einzelne Musiker referieren, denn dafür fehlt mir beileibe die Kompetenz. Es würde mehr die Darstellung eines Außenstehenden werden, der sich gern unter die Fans gemischt hat, ohne sich aber wirklich dazugehörig gefühlt zu haben. Und selbstverständlich würde der Bericht keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern vor allem Impressionen wiedergeben.

Da aber doch ein wenig Zeit in die Ausformulierungen der Notizen gesteckt werden muss, frage ich mal in die Runde, ob überhaupt Interesse besteht. Die Fotos sind weitgehend fertig bearbeitet und das Schreiben mache ich gern, aber nur, wenn es auch jemand lesen will.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_0290.jpg

Eulenspiegel
18.09.2016, 12:00
Aber natürlich! Dürfte man das auch dann teilen oder verlinken?

Surfer
18.09.2016, 13:17
Auf jeden Fall. :daumen:

Bin auch ein alter Blues-Fan :wub3:

j_easy
18.09.2016, 14:06
So etwas finde ich immer interessant. Von mir aus gern. :knuddel:

Twicethetime
18.09.2016, 15:41
Bitte ja :)

devdev
18.09.2016, 19:28
blues are my shoes, immer interessiert.

blaufink
18.09.2016, 22:36
Prima, es wird aber ein paar Tage dauern.

@Eulenspiegel: Das Forum ist ja öffentlich und der Thread kann, wenn ich es richtig sehe, eh verlinkt werden. Aber erwarte bitte nicht zu viel, denn wie ich im Eingangspost schrieb, bin ich nur Laie auf diesem Gebiet. Abgesehen davon sollte man beim Weitergeben auch immer im Hinterkopf behalten, dass die Veröffentlichung von Fotos, die Besucher in Musikclubs machen, fast immer illegal ist, auch wenn es fast nie Probleme gibt, sofern übliche Anstandsregeln beachtet werden und keine kommerziellen Absichten bestehen.

@Surfer: Dann kennst du dich in manchen Dingen sicher besser aus als ich und kannst meine Ausführungen ggf. korrigieren. :)

Zampano
18.09.2016, 22:41
Na klar, immer her damit... du hast da bestimmt ein paar tolle Aufnahmen...

Melanie
19.09.2016, 08:31
Sehr gerne.

BTW: Was wäre der Chicago-Blues ohne die Blues Brothers ?

Sweet Home Chicago

blaufink
21.09.2016, 23:35
Hier der versprochene Fotobericht. Im etwas textlastigen ersten Viertel habe ich eine Kurzeinführung in die Entstehungsgeschichte des Chicago-Blues gewagt. Danach folgen Impressionen aus der aktuellen Blues-Szene Chicagoes. Bis auf das erste sind alle Fotos von mir. Etwa die Hälfte der Bilder sind von 2013, die anderen (bis auf das erste) vom August dieses Jahres.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMGP4753.jpg

So fing es bei uns an: Dieses Foto entstand 2007 in der früheren Location des Bluesclubs Buddy Guy’s Legends in der South Wabash Avenue in Chicago. Das Foto ist nicht von mir, sondern von einem guten Freund, mit dem ich in Chicago vor neun Jahren einen anderen gemeinsamen Freund besuchte. Es war unser allererster USA-Aufenthalt und unser einziger Besuch eines Bluesclubs in dem Jahr. Vom Blues hatte ich damals gar keine Ahnung und von Buddy Guy wussten wir nur ganz vage, dass er eine besondere Größe der Blues-Szene sei und halt diesen Club betreibe.

An dem Abend war ein gewisser Phil Guy als Musiker angekündigt. Natürlich bemerkten wir beim Studium des Programms die Gleichheit der Nachnamen, aber wir tippten auf Zufall, weil wir nicht zu hoffen wagten, dass es sich um einen Verwandten von Buddy Guy handeln könne. Erst später im Konzert bekamen wir mit, dass Phil sein jüngerer Bruder ist.

Damals war ich mir unsicher, ob man zu einer solchen Veranstaltung, bzw. in Bluesclubs allgemein eine Kamera mitbringen darf, insbesondere eine Spiegelreflexkamera mit auffallendem Objektiv, die nicht einfach zu verbergen ist. Meine Kompaktkamera, die ich jetzt für Konzertaufnahmen nutze, kaufte ich erst drei Jahre später anlässlich der ersten Tour von Lena. Da ich mit den us-amerikanischen Gepflogenheiten nicht vertraut war, beschloss ich, sicherheitshalber ohne die damals brandneue Kamera zu gehen – ein Fehler, wie sich herausstellte. Zum Glück konnte mein Freund ein paar Bilder mit seiner Pocketkamera machen.

Nachdem Phil Guy und seine Band etwa eine halbe Stunde gespielt hatten, näherte sich zwischen zwei Songs von der Seite eine weitere Person. Bis auf ein leises Raunen wurde es auf einmal still im Raum. Da offenbar alle anderen außer uns Bescheid wussten, ahnten oder hofften wir zumindest, dass es dieser legendäre Buddy Guy ist. In den nächsten Minuten verdichtete sich die Ahnung zur Gewissheit. Buddy Guy sang drei oder vier Stücke, während sein Bruder die Gitarre spielte und die anderen Musiker sich sehr zurück hielten. Nach dem zweiten Song trat eine junge Frau auf die Bühne und reichte Buddy Guy ein Glas Cognac. Der plauderte mit dem Publikum, leerte das Glas und gab es zurück. Jahre später bekamen wir mit, dass dieses Ritual bei jedem seiner Auftritte stattfindet, zumindest in seinem eigenen Club. Das Foto entstand in dem Augenblick, als Buddy (mit Hut vor dem Mikro) das Glas vor sich in der Hand hielt und die Überbringerin (links im Kapuzenshirt) auf der Bühne wartete. Aus unserer Richtung gesehen rechts von Buddy Guy steht sein Bruder Phil, der leider bereits 2008 starb.

Der YouTube-Channel von Buddy Guy’s Legends: https://www.youtube.com/channel/UCooKvXRYC1YWzT-foV-ey9w

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8444.jpg

Für diejenigen, die über den Blues genauso wenig wissen, wie ich damals, füge ich mal etwas Hintergrundwissen ein: Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstand der Blues in den südlichen Staaten der USA durch afroamerikanische Musiker. Auf der Basis bestehender afroamerikanischer Musikformen, z. B. den „Worksongs“, die von schwarzen Arbeitern auf den Baumwollfeldern gesungen wurden, war der Blues im Wesentlichen eine Neuerfindung mit unterschiedlichen lokalen Varianten. Seine sprachlichen Inhalte waren oft traurig-melanchonischer Natur und kündeten von seelischen Schmerzen, so dass die englische Redewendung „I feel blue“ oder „I’ve got the blues“ Namensgeber der neuen ländlichen Folkmusik wurde.

Vor dem Zweiten Weltkrieg, während des Kriegs und in der Nachkriegszeit migrierten viele Schwarze und somit auch Bluesmusiker aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen aus dem Süden der USA in die großen Städte im Norden, insbesondere nach Chicago. Dort wurden sie mit technischen Neuerungen, wie z. B. der elektrischen Verstärkung der Gitarrenklänge vertraut. Schon zuvor waren Blues-Musiker experimentierfreudig und nahmen technische Neuerungen, wie z. B. die Resonatorgitarre, gern an. Der größte Schritt in der neuen urbanen Umgebung aber war der Wechsel von den akustischen Saiteninstrumente zur E-Gitarre und zum E-Bass, die „Elektrifizierung“ der Musik. Damit bekam der Blues einen neuen Anstrich, der sich im Chicago-Blues bis heute erhalten hat und in den 50er und 60er Jahren anderen Musikrichtungen, wie dem Rock ’n’ Roll und der Rockmusik entscheidende Anstöße gab.

Das Foto zeigt ein Fragment der „Central Station“, die von 1893 bis 1974 am südlichen Ende des Grant Parks in Chicago lag. Die Eisenbahngesellschaft „Illinois Central Railroad“, der die Station gehörte, verband New Orleans mit Chicago. Über diese Strecke reisten viele Afroamerikaner aus dem Süden nach Chicago und brachten dabei ihre Musik mit.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_0007.jpg

Südwestlich der Downtown liegt an der Westseite des Chicago Rivers ein flach bebautes Gewebegebiet. Die South Desplaines Street verändert nördlich der West Roosevelt Road an jedem Sonntag ihr Gesicht. Auf der Hauptstraße und einigen angrenzenden Nebenstraßen breitet sich der Maxwell Street Market aus, ein Mischung aus Wochenmarkt und Flohmarkt. Der Markt hat eine lange Geschichte: Im späten 19. Jahrhundert wurde er von jüdischen Einwanderern aus Osteuropa in der Maxwell Street gegründet. Für viele Menschen der ärmeren Gesellschaftsschichten bildete er den allsonntäglichen Mittelpunkt. Hier traf man sich, hier wurde geredet und hier wurden Waren des täglichen Bedarfs zu vernünftigen Preisen gekauft. Ab den 1930er Jahren besuchten auch schwarze Migranten aus den südlichen Staaten der USA den Markt. Einige brachten ihre Instrumente mit und spielten Blues. Um in dem geräuschvollen Markttreiben Gehör zu finden, experimentierten die Musiker mit neuem Equipment – zunächst mit der Resonator-Gitarre, dann mit elektrischer Verstärkung und schließlich mit der E-Gitarre. Inhaber der anliegenden Geschäfte versorgten die Musiker mit Stromkabeln aus ihren Läden, weil die ungewöhnliche Musik Kunden anlockte und sich verkaufsfördernd auswirkte. Der Markt in der Maxwell Street gilt als der Geburtsort des speziellen elektrifizierten Chicago-Blues und damit auch als eine der Urquellen des Rock ’n’ Rolls und der Rockmusik.

Der heutige Maxwell Street Market hat leider nicht mehr viel mit dem alten zu tun. 1994 wurde die Maxwell Street komplett neu gebaut und dabei gentrifiziert: Ein Abschnitt wurde Campus der University of Illinois, ein anderer Teil Wohngebiet. Der Markt wurde zweimal verlegt und findet nun, immer noch sonntäglich, in der South Desplaines Street statt, aber nicht weit vom früheren Standort in der Maxwell Street entfernt. Als wir über den Markt gingen, haben wir immerhin noch einen bluesspielenden Straßenmusiker angetroffen. In einem kurzen Abschnitt der eigentlichen Maxwell Street wurden zum Gedenken an das frühere bunte Markttreiben Bronzeskulpturen mit typischen Marktszenen aufgestellt.

https://www.cityofchicago.org/city/en/depts/dca/supp_info/maxwell_street_market.html

Im YouTube-Channel vom Chicago Film Archives ist Originalmaterial aus Chicagos Vergangenheit zu finden:
https://www.youtube.com/user/chicagofilmarchives/featured
Zum Beispiel Szenen vom früheren Maxwell Street Market, leider ohne Ton: https://youtu.be/DbfckK-8tE4?t=4m5s

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_6755.jpg

Dieser heute recht nüchtern wirkende Raum spielte für die Weiterentwicklung des Blues in der Nachkriegszeit eine tragende Rolle: das ehemalige Tonstudio von Chess Records, einem unabhängigen Plattenlabel, das mit einigen Sublabels (u. a. Checker Records) von 1950 bis 1975 existierte. Heute ist das Studio mit seinen Nebenräumen von der „Willie Dixon's Blues Heaven Foundation“ als Vortragsraum und als kleines Museum eingerichtet. Hinter der großen Glasscheibe in der Wand in Blickrichtung lag der Technikraum. Auffallend sind die schräge Wand und die giebelförmige Decke: Um Schallverstärkung durch Resonanzen zu vermeiden, gibt es in dem Studio keine parallel ausgerichteten Begrenzungsflächen. An einer Stelle wurde zur Anschauung für die Besucher eine Wand geöffnet, so dass man hinein sehen kann: Die Wände sind im Innern gedämmt, damit Schall von Außen nicht durchdringen kann.

Das Plattenlabel Chess Records wurde 1950 von den Brüdern Leonard Chess und Phil Chess gegründet und gilt als wichtigstes Label für die Förderung und Verbreitung des Blues in den 50er und 60er Jahren. Als Ende der 60er Jahre das öffentliche Interesse am Blues schwand und die Radiostationen kaum noch reine Blues-Platten auflegten, beschlossen die Chess-Brüder, die Rechte an den Musikaufnahmen und das Studio schrittweise zu verkaufen. 1975 erlosch das Label Chess Records.

Die Liste der Musikerinnen, Musiker und Bands, die bei Chess Records ihre Musik aufnahmen und produzierten, ließt sich wie das Who's Who des Blues aus den 50er und 60er Jahren: Bo Diddley, Willie Dixon, Buddy Guy, John Lee Hooker, Etta James, Little Walter, Muddy Waters, Howlin’ Wolf und viele andere, aber auch die Soulsängerin Aretha Franklin, der Pionier des Rock ’n’ Rolls Chuck Berry und andere Künstler in der Nähe vom Blues standen bei Chess Records unter Vertrag. Dem Bassisten Willie Dixon fiel als Studiomusiker, Hausbassist, Songschreiber und Produzent bei Chess Records eine besondere Rolle zu. Viele seiner Songs wurden später nicht nur von seinen Blues-Kollegen, sondern von bedeutenden Bands der Rock/Pop-Musik, wie z. B. den Rolling Stones, Led Zeppelin und The Doors interpretiert. Sein akustischer Bass steht in dem kleinen Museum, das in den Nebenräumen eingerichtet ist. Da einer aus unserer Gruppe ab und an als Bassist in Bluesbands spielt, erhielt er die Erlaubnis, Willie Dixons Bass anzuspielen.

Die Adresse dieses Raumes lautete damals wie heute 2120 South Michigan Avenue. 1964 kamen die Rolling Stones während ihrer ersten US-Tour als Besucher vorbei und nahmen hier spontan ein paar Songs auf. Eines ihrer Instrumentalstücke trägt den Namen „2120 South Michigan Avenue“ – als Huldigung an Chess Records und diesen besonderen Ort.

Eine kurze Dokumentation über Chess Records: https://www.youtube.com/watch?v=YCdRLbL9TAw

Denen, die sich für das Entfalten des Blues im Chicago der 50er und 60er Jahre, für den Übergang zum Rock ’n’ Roll und für die Geschichte von Chess Records interessieren, empfehle ich den unterhaltsamen Spielfilm „Cadillac Records“ aus dem Jahr 2008. Zwar ist das nur ein Spielfilm, aber die Drehbuchautorin und Regisseurin Darnell Martin hat sich Mühe gegeben, die historischen Fakten nicht zu sehr zu verbiegen. Das Tonstudio von Chess Records, also dieser Raum, ist mehrere Male Vorbild für den Ort der Spielhandlung. Allerdings hat man sich in diesem Fall nicht so ganz genau an das Original gehalten, denn im Film erscheint das Studio deutlich größer als es in Wirklichkeit ist.

Trailer von Cadillac Records: https://www.youtube.com/watch?v=1309MEQ4b30

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/chess-4fach.jpg

1992 starb Willie Dixon. Ein Jahr später kaufte seine Frau das Gebäude in der South Michigan Avenue. Es wurde renoviert und ist nun Sitz der Willie Dixon's Blues Heaven Foundation. Es gibt Öffnungszeiten, zu denen die Räume und das kleine Museum besichtigt werden könen, aber es werden auch Führungen angeboten. Als wir im August während der Öffnungszeit draußen vor der Tür standen, war sie verschlossen. Zunächst half auch mehrmaliges Klingeln nicht. Gerade, als wir nach zehn Minuten wieder gehen wollten, wurde die Tür geöffnet. Ein junger Mann, der sich als Enkel von Willie Dixon herausstellte, begrüßte uns freundlich, fragte nach unserem Anliegen und ließ uns dann die Räume erkunden.

Stücke aus der Memorabiliensammlung des Museums: eine Resonator-Gitarre mit Unterschriften einiger Blues-Musiker, ein modularer Synthesizer, ein Tonbandgerät aus dem Technikraum des früheren Tonstudios von Chess Records und die Dreifach-Platin-Auszeichnung für das Voodoo-Lounge-Album der Rolling Stones (ein Geschenk vom Produzenten Don Was an die Blues Heaven Foundation mit der Signatur „Thanks, Don Was“).

http://www.bluesheaven.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_0693.jpg

Direkt neben dem Gebäude, das früher Chess Records und heute der Willie Dixon's Blues Heaven Foundation gehört, liegt inmitten der städtischen Bebauung ein kleines freies Grundstück. Hier im „Blues Garden“ finden während der Sommermonate immer donnerstags Konzerte statt, die von der Blues Heaven Foundation organisiert werden. Am 4. August spielte Little Al Thomas (am Mikrofon, mit rotem T-Shirt und weißem Hut) mit The Crazy House Band im Blues Garden.

http://www.crosscut.de/en/artists/little-al-thomas/

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8147.jpg

Nach dem Konzert im Blues Garden wurde auf eine weitere Veranstaltung in der Nähe hingewiesen: In den Räumen der Brauerei Motor Row Brewing (2337 South Michigan Avenue) spielten „The Original Chicago Blues All Stars“ (nicht zu verwechseln mit den „Chicago Blues All-Stars“, die eine ganz andere Band sind). Vor dem Konzert ging der Schlagzeuger (aber auch Sänger und Gitarrist) Dr. Jimmy Lee Tillman von Tisch zu Tisch und begrüßte jeden einzelnen Gast persönlich mit Handschlag.

http://www.motorrowbrewing.com
http://www.originalchicagobluesallstars.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8189.jpg

Star des Abends war Holle Thee Maxwell, eine Soul- und Blues-Sängerin die bereits im Alter von fünf Jahren professionell sang und somit auf eine Karriere von 65 Jahren zurückblickt.

https://en.wikipedia.org/wiki/Holle_Thee_Maxwell

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_3555.jpg

Wenn in Reiseführern und Internet-Bogs die Blues-Szene Chicagos angesprochen wird, ist nicht selten von „zahlreichen Bluesclubs“ die Rede, ohne dass sie konkret benannt werden. Tatsächlich aber gibt es nur noch fünf Clubs mit einer reinen Blues-Kultur: Kingston Mines, B.L.U.E.S, Rosa's Lounge, Blue Chicago und Buddy Guy's Legends. Daneben findet man natürlich noch diverse Musikkneipen, Speisegaststätten, Kulturzentren und andere Orte, wie die bereits erwähnte Brauerei, in denen Livemusik gespielt und somit auch ab und an Blues vorgetragen wird. Einen guten Überblick bietet der wöchentlich erscheinende Chicago Reader, der in gedruckter Form kostenlos an den Straßen in Street-Boxes (keine Ahnung, wie die in deutsch heißen) bereit liegt.

Der wahrscheinlich bekannteste Bluesclub ist Buddy Guy’s Legends (700 South Wabash Avenue), zentral im Loop gelegen („Loop“ wird in Chicago der Bereich der Downtown innerhalb des Hochbahn-Ringes, der Elevated – „L“ – genannt). Den Club gründete Buddy Guy bereits im Jahr 1989, aber es ist nicht sein erster: Zwischen 1972 und 1985 betrieb er gemeinsam mit L. C. Thurman die „Checkerboard Lounge“ im überwiegend von Afroamerikanern bewohnten Chicagoer Stadtgebiet „South Side“. Die Checkerboard Lounge schloss erst im August 2015 nach dem Tod von Thurman.

Im Januar jedes Jahres gibt Buddy Guy eine Reihe von Konzerten in seinem eigenen Club. Auch zu anderen Zeiten ist er manchmal dort anwesend, sofern es sein enger Tour-Plan zulässt. Wenn dann befreundete Musiker auf seiner Bühne stehen, gesellt er sich gern für zwei oder drei Stücke hinzu und übernimmt Gesang und manchmal Gitarre.

Chicago Reader: http://www.chicagoreader.com
Buddy Guy’s Legends: http://buddyguy.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/buddy-guy-im-legends.jpg

Buddy Guy (mit weißer Schirmmütze) bei einem Gastauftritt in seinem eigenen Club am 10. Juli 2013, zusammen mit Eddie Shaw & The Wolfgang. Eddi Shaw war früher Saxophonist bei Howlin’ Wolf. Aus der Zet stammt der ungewöhnliche Bandname (Eddi Shaw schreibt den Namen der Band tatsächlich „Wolfgang“, woanders ist meist „Wolf Gang“ zu lesen).

http://www.buddyguy.net
https://www.facebook.com/therealbuddyguy
http://eddieshawsax.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_0278.jpg

Der Bluesclub „B.L.U.E.S.“ liegt etwa 5 km nördlich vom Loop im Stadtteil Lincoln Park (2519 North Halsted Street).

http://www.chicagobluesbar.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_6934.jpg

Eric "Guitar" Davis & the Troublemakers am 5. Juli 2013 im B.L.U.E.S.

Eric "Guitar" Davis galt als kommende Blues-Größe, aber ein halbes Jahr nach diesem Konzert wurde er in seinem Wagen erschossen. Die Tat galt nicht ihm persönlich – er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Dieses Schicksal teilt sich der Musiker mit vielen anderen: Allein in diesem Jahr (2016) starben bis Anfang September – nur in Chicago – mehr als 900 Menschen in Folge von Gewaltverbrechen. Statistisch gesehen sind das etwa 3,7 Morde und Totschläge pro Tag. Den Ruf als gefährlichste Stadt der USA ist Chicago bis heute nicht losgeworden.

http://www.chicagotribune.com/news/local/breaking/chi-eric-guitar-davis-jazz-musician-killed-in-south-side-shooting-20131219-story.html
http://www.chicagotribune.com/news/local/breaking/ct-chicago-violence-labor-day-tuesday-20160906-story.html

Den letzten Auftritt vor seinem Tod hatte Eric "Guitar" Davis in Buddy Guy’s Legends:
https://www.youtube.com/watch?v=FiM4Sz_Lhgw

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8677.jpg

Der Bluesclub Kingston Mines (2548 North Halsted) wurde 1968 eröffnet und ist damit der älteste und traditionsreichste Bluesclub Chicagos. Er liegt auf der anderen Straßenseite keine 100 Meter nördlich vom Club „B.L.U.E.S.“ entfernt. Täglich werden zwei Bühnen von zwei, manchmal drei verschiedenen Bands bespielt.

http://kingstonmines.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8771.jpg

The Chicago Blues All-Stars im Kingston Mines auf der Main Stage mit dem Gitarristen Daniel Ivankovich, der die Doppelhals-Gitarre spielt.

https://en.wikipedia.org/wiki/Chicago_Blues_All-Stars
http://www.chicagobluesallstars.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_0272.jpg

Das Blue Chicago (536 North Clark Street) wurde 1985 gegründet und liegt etwa 500 Meter nördlich vom Main Stem of Chicago River, also nahe am Loop.

http://www.bluechicago.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_9735.jpg

Tenry Johns Blues Band mit Claudette Miller (links) im Blue Chicago. An diesem Ort waren endlich auch mal junge Leute im Alter unter 30 zwischen den Zuhörer zu entdecken.

http://www.bluechicago.com/tenry-johns
http://www.bluechicago.com/claudette-miller

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8309.jpg

An diesem Abend klang die Hitze des Nachmittags nur langsam ab und ich erinnere mich, dass der lange Fußweg zu Rosa's Lounge (3420 West Armitage Avenue) unter Reihen von Bäumen entlang führte, aus denen die Zikaden ein lautes Spektakel veranstalteten. Irgendwo dort oben sitzen sie, aber zu Gesicht bekommt man sie kaum. Rosa's Lounge liegt rund 10 km in nordwestlicher Richtung vom Zentrum entfernt, aber die Chicago Transit Authority (CTA) betreibt ja ein gutes Netz von Bussen und Bahnen.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8329.jpg

In Rosa's Lounge ist während des ganzen Jahres Neujahr, Halloween und Weihnachen zugleich.

http://rosaslounge.com

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_8344.jpg

Lurrie Bell – links mit Gitarre am Mikrofon in Rosa's Lounge – ist einer der Stars aus Chicagos Blues-Szene. Er ist der Sohn des Blues-Musikers Carey Bell, der 2007 verstarb.

http://lurrie.com
https://en.wikipedia.org/wiki/Lurrie_Bell

Ein längeres Video mit Vater und Sohn Bell – die erste Hälfte ist in Rosa's Lounge aufgenommen, danach folgen Mitschnitte aus Buddy Guy’s Legends:
https://www.youtube.com/watch?v=fe7DqgE9UXo

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_9222.jpg

Neben den Clubs, Musikkneipen und ähnlichen ortsfesten Einrichtungen für Livemusik bieten Straßenfeste und Festivals Podien für Blues. In den Sommermonaten gibt es in Chicago praktisch immer irgendwo ein Straßenfest. Von den großen Veranstaltungen ist an erster Stelle das „Chicago Blues Festival“ zu nennen, das jährlich Anfang Juni im Grant Park stattfindet. In diesem nach eigenen Angaben „largest free blues festival in the world“ treten sowohl bekannte Größen, als auch Newcomer auf. Für das Straßenfest „Taste of Chicago“, nach ebenfalls eigenen Angaben „the world's largest food festival“, sind der South Columbus Drive und die Seitenstraßen im Bereich des Grant Parks für den Autoverkehr gesperrt. Statt dessen findet man dort jede Menge Verköstigungsstände und eine Bühne für Livemusik. Das Foto zeigt Lil’ Ed and the Blues Imperials beim Taste of Chicago im Jahr 2013.

Chicago Blues Festival: https://www.cityofchicago.org/city/en/depts/dca/supp_info/chicago_blues_festival.html
Taste of Chicago: https://www.cityofchicago.org/city/en/depts/dca/supp_info/taste_of_chicago.html

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_9215.jpg

Obwohl im Gegensatz zu den Clubs keine Altersbeschränkung gilt, sind so gut wie keine Teenager und kaum Leute unter 30 zu sehen. Es scheint, dass die jüngere Generation vom Blues nicht angesprochen wird.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_7247.jpg

Einmal verließen wir Chicago und fuhren zum „Summerfest“ nach Milwaukee, nach Veranstalterinformation und auch laut Guinness Book of World Records „the world's largest music festival“. (In den USA scheint man großen Wert darauf zu legen, the world's largest, biggest, finest usw. präsentieren zu können.) Etwa 120 km von Chicago entfernt spielt Jon Paris mit Begleitung auf der Harley-Davidson-Roadhouse-Bühne. Der deutsch anmutende Name des Festivals ist vermutlich der großen Zahl deutscher Einwanderer und deren bis heute gepflegten Kultur in Milwaukee zu verdanken.

http://summerfest.com/harley-davidson-roadhouse/

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_7235.jpg

Wahre Blues-Fans huldigen ihre Idole auf besondere Weise. :)

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/IMG_7277.jpg

Zum Abschluss noch ein Foto von Buddy Guy, diesmal beim „Summerfest“ auf der Harley-Davidson-Roadhouse-Bühne in Milwaukee am 6. Juli 2013.

So, ich hoffe, Lust auf einen Chicago-Trip gemacht zu haben. :)

Zampano
22.09.2016, 13:26
Bin zwar erst halb durch, aber: Sehr sehr schöner und interessanter Reisebericht mit coolen Fotos...! Vielen Dank...!

:thumbsup:

j_easy
22.09.2016, 23:35
Wow! Danke! Muss auch noch weiterlesen. Die Fotos sehen echt professionell aus. :daumen:

Ich war vor Jahren mal in Chicago, aber eher auf Durchreise, und kann mich noch an die hochgelegte U-Bahn erinnern.

blaufink
23.09.2016, 23:27
BTW: Was wäre der Chicago-Blues ohne die Blues Brothers ?

Sweet Home Chicago

In Chicago scheint der Blues-Brother-Kult keinen allzu großen Raum mehr einzunehmen. Jedenfalls merkt man nicht viel davon. Vielleicht ist er inzwischen abgeklungen. Aber hätte ich dort mehr Zeit, würde es mir Spaß machen, auf Spurensuche zu gehen und die Schauplätze der Filmhandlung aufzusuchen (aber das haben eh schon andere gemacht und dokumentiert).


Bin zwar erst halb durch, aber: Sehr sehr schöner und interessanter Reisebericht mit coolen Fotos...! Vielen Dank...!

:thumbsup:

Danke!


Wow! Danke! Muss auch noch weiterlesen. Die Fotos sehen echt professionell aus. :daumen:

Ich war vor Jahren mal in Chicago, aber eher auf Durchreise, und kann mich noch an die hochgelegte U-Bahn erinnern.

Im Bereich des Loops prägt die Hochbahn (die „Elevated“ oder einfach „L“, wie die Chicagoer sagen) das Straßenbild ein gutes Stück mit. Man wundert sich, dass alles so reibungslos funktioniert, denn manche der bis zu 100 Jahre alten Konstruktionen sehen bizarr aus. Und auch die L gehört in bestimmter Weise zum Chicago-Blues, denn ihre Präsenz hat sich in den 40er und 50er Jahren sicherlich auf das neue urbane Lebensgefühl der Neuankömmlingen aus dem Süden ausgewirkt.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/15677255/Lena-Forum/chicago-blues/chicago-elevated.jpg

j_easy
24.09.2016, 08:21
Es gab wohl mal eine Abstimmung für und wider die Hochbahn. Die Bevölkerung hat diese gerettet.

Peter M. aus V.
25.09.2016, 21:40
@blaufink: Vielen Dank für Bericht und Bilder! Auch ich bin noch nicht durch, aber schon sehr beeindruckt.

Melanie
25.09.2016, 22:12
Auch von mir vielen Dank für den tollen Bericht und die beeindruckenden Fotos.

blaufink
18.03.2017, 11:34
Phil Chess, einer der beiden Brüder, die das Label Chess Records ins Leben gerufen hatten, ist im Oktober 2016 im Alter von 95 gestorben. Sein Bruder Leonard starb bereits kurz nach dem Beginn des Zerfall des Labels im Jahr 1969.

http://www.rollingstone.com/music/news/phil-chess-pioneering-blues-and-rock-exec-dead-at-95-w445639

Alle Fotos aus dem Blues-Bericht sind weg, weil Dropbox die Funktion seines „Public“-Ordners, über den ich die Bilder verlinkt hatte, ausgeschaltet hat. Leider bietet Dropbox auch keinen Ersatz an. Zur Zeit kann ich mich nicht drum kümmern. In einigen Wochen werde ich die Bilder neu verlinken. Bis dahin sind sie hier zu finden:
https://www.irista.com/gallery/lmlzk8cxot84
Dummerweise nach Erstellungsdatum, statt nach Dateinamen sortiert, daher fröhliches Chaos.

Melanie
30.09.2018, 12:17
Otis Rush ist gestern gestorben.

https://www.rollingstone.com/music/music-news/otis-rush-chicago-blues-guitarist-dead-731136/