Economist: Wo ich mit Lars nicht ganz konform gehe, ist bei der Frage, was denn Lenas „Zauber“ anfangs ausgemacht hat. Natürlich war stets ihre Leistung bzgl. der Musik, also ihre Präsenz auf der Bühne und ihre interpretatorischen Fähigkeiten, wichtig. Aber Lena sagt selbst (beispielsweise in dieser NDR-Doku mit Aufnahmen vom Februar 2010: youtube.com/watch?v=gaNUqTgPtjg), dass es viele andere Menschen gibt, die „gesanglich hundert mal besser sind als ich“. Deshalb ist für mich die Person Lena doch das Entscheidende für ihre Attraktivität für so viele Menschen. Dies beziehe ich jedoch ausdrücklich NICHT auf die gelegentliche Verrücktheit und Spontaneität, die offenbar so einige ARD-Programmbeiratsmitglieder damals an Lena fasziniert hat, oder äußerliche Attraktivität (die sicherlich auch eine Rolle spielt), sondern auf ihre Persönlichkeit in ihren ernsthaften Aspekten. Auch wenn verrückte Sprüche in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund gestanden haben mögen, so bin ich überzeugt, dass das, was neben Lenas Bühnenpräsenz die Menschen tief drin wirklich beeindruckt hat – und noch immer beeindruckt – die konsequente Ausrichtung ihres Verhaltens an ihren Werten ist. Es ist diese Haltung in des Wortes wahrster Bedeutung, die die meisten Menschen wohl an sich selbst schmerzlich vermissen, weil sie feststellen, dass ihnen die innere Stärke dafür fehlt, die an Lena bewundert wird. Auch hier erkennt sich das Publikum selbst wieder, nur im Gegensatz zur Melodramatik der DSDS-Welt nicht in der Art, wie es seine eigene Realität wahrnimmt, sondern in der Art, wie es gerne sein möchte. Jupp, Du hast es schon im Mai 2010 geschrieben: „Wenn das Mittelschichts-Bürgertum LML liebt, dann nicht deswegen, weil sie genauso ist, wie es selbst, sondern weil es sich heimlich danach sehnt, ganz anders zu sein, als es ist.“