Zitat von
Absolutwig
Ausgangspunkt war aber auch Lenas Aussage, dass nur ihre engen Freunde sie kennen. Ich finde, diese Aussage lässt sich eher verstehen, wenn man „kennen“ als etwas ansieht, das auf Wechselseitigkeit zwischen Subjekten beruht. „Ich sehe, dass Du siehst, dass ich sehe.“ „Ich weiß, dass Du weißt, dass ich gesagt habe.“ „Ich glaube, dass Du willst, dass ich dies und das sage.“ Und so weiter.
Kennen beruht auf Wechselseitigkeit, und was wir vom Fernsehen angeboten bekommen, ist zwangsläufig nur ein Surrogat. (Deine eigene Skepsis, dass in allen Situationen, aus denen wir Lena kennen eine Kamera anwesend ist, geht in eine andere Richtung: verfälscht die anwesende Kamera, also das Bewusstsein, beobachtet zu werden, oder nicht?).
In diesem Sinne finde ich schon, dass fundamentale Skepsis angebracht ist. Denn es geht nicht nur darum, dass wir einen privaten Teilbereich von Lena nicht kennen können (die halbleere Tasse). Sondern auch darum, dass alles, wirkliches alles, was sie von sich preisgibt, nicht an uns gerichtet ist, sondern an eine andere Person, an ein Saalpublikum oder an ein imaginiertes Zuschauerpublikum – immer mit dem Ziel, die Illusion eines Kennens herzustellen. Wir können natürlich dabei zusehen, wie Lena sich mit anderen Menschen unterhält und etwas über sie erfahren. Aber zwischen einem solchen Wissen und einem echten wechselseitigen Kennen besteht ein grundsätzlicher, qualitativer Unterschied, kein gradueller.