Interessante Parallele:
https://twitter.com/tagesschau/statu...18203236343808
Interessante Parallele:
https://twitter.com/tagesschau/statu...18203236343808
Normalerweise müsste Deutschland den Stinkefinger zeigen (natürlich nur im übertragenen Sinne). Jetzt gibt es da aber leider noch dieses idiotische Gesetz mit der "Majestätsbeleidigung". Wäre mal ein Anlass, den Quatsch ersatzlos zu streichen. Ansonsten hoffe ich, dass die Regierung nach Prüfung des Sachverhaltes eine unmissverständliche Stellung pro Kunst-, Satire- und Pressfreiheit bezieht. Auch wenn mir die Aktion nicht wirklich gut gefallen hat, aber diesem Popanz, der sich da aufbaut, gehört die Luft abgelassen.
Ich glaube, man kann schlecht ein "Schmähgedicht" verfassen und dabei auf politische Korrektheit achten. Natürlich gehört gerade die Überschreitung akzeptierter Grenzen dazu, das betrifft sowohl die "Gürtellinie" als eben auch PC-Linien.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Eine Forderung darauf zu verzichten, setzte voraus, dass die Beleidigung tatsächlich so gemeint ist, gemeint als Beleidigung und gemeint als reale Annahme sexueller Handlungen.
Aber das ist ja nicht der Fall bzw. soll so erscheinen, als sei es nicht der Fall.
Interessanterweise sind in dem Gedicht wahre Anschuldigungen mit völlig absurden vermischt, meist Seite an Seite gestellt. Während man über die absurden, aus irgendwelchen Schmuddelecken stammenden Vorwürfe die Köpfe schüttelt (erlogene Sodomievorwürfe gehören zum Standardrepertoir sog. "Islamkritiker"), gehen die wahren (oder zumindest als real angenommen) Teile des Gedichts anstandslos durch, man erkennt also deren Wahrheit oder zumindest die Berechtigung dieser Vorwürfe. Das ist unabh. vom Betrachter: Auch Erdoğan und seine Anhänger können sich in ihrer Klage nur auf die grenzüberschreit. Vorwürfe als "Beleidigung" beziehen und müssen die realen Vorwürfe außen vor lassen, also selbst als gerechtfertigte Kritik anerkennen. Das ist sicher nicht zufällig so gemacht.
Sorry, ich muss mal etwas kleinlich sein, aber auch das ist so ein wenig unglücklich formuliert.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Es gibt einen Strafantrag von Erdogan, dabei muss inhaltlich von Erdogan auf gar nichts eingegangen werden.
Sollte Merkel das durchlassen, dann ist es Job der Staatsanwaltschaft das zu bewerten und Erdogan hat damit gar nichts mehr am Hut.
Eine Klage wäre dagegen ein zivilrechtliches Vorgehen von Erdogan gegen Böhmermann.
Es ist es speziell für Böhmermann auch vollkommen irrelevant, ob Teile davon wahr sind, denn ein paar Formulierungen sind halt schon übelst und genau diese werden dann "bewertet".
Ich meinte "Klage" nicht im rechtl. Sinn, sondern im allg. Sinn.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Rechtl. ist wohl nur eine Anzeige nötig.
Du hast recht, dass nur die "übelsten" Formulierungen bewertet werden (sowohl rechtlich, als auch in der momentanen Diskussion), aber genau das meine ich ja: Das "Ziegenficken" wird als Beleidigung gewertet, das "Kurdenmorden" nicht. Wäre beides gleich irreal, müsste das Kurdenmorden eigtl. die üblere Beleidigung sein. Genau das, wird aber deutlich, ist es nicht.
Aus unserer Sicht, aus Sicht von Erdogan verdient man für das Ermorden von Kurden wohl eher einen Orden ...This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Von was für "Straftaten" sprichst du, "allgemein gesprochen"?This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Kapitalverbrechen haben wir im Verlaufe der Diskussion bereits ausgeschlossen, um solche ging es hier zu keinem Zeitpunkt.
Ansonsten ist dein Einwurf allenfalls theoretisch richtig.
Die türkische Regierung liess heute wissen, Herr Böhmermann habe nicht nur Herrn Erdogan beleidigt, sondern "auch 78 Millionen Türken".
Wenn du glaubst, diese 78 Mio Türken hätten (jeder einzeln) jetzt das Recht, das Gericht in Köln anzurufen, dann irrst du.
Wäre das anders, kannst du ganz sicher sein, daß jede Menge türkische Bürger von diesem Recht nur zu gern Gebrauch machen würden.
Die hier vorliegenden Anzeigen stammen allesamt von in Deutschland lebenden Erdogan-Anhängern.
Ähnlich verhält es sich mit mißliebigen Karikaturen in Paris oder zuvor auch Dänemark, wo Klagen von Privatpersonen aus dem Ausland keine Chancen hätten.
Vielleicht sollte man ihnen diese Chance ja geben (die Begeisterung in islamischen Ländern wäre sicher groß), dann müßten vielleicht keine Karikaturisten mehr ermordet werden?
Meine Richtigstellungen sollten schon in dem Kontext gesehen werden, wie sie zuvor für eine Argumentation genutzt wurden.
Ansonsten sind für meinen Bedarf die juristischen Aspekte dieser Angelegenheit im Verlauf dieser Diskussion schon mehr als ausführlich beleuchtet worden.
Soll aber natürlich andere nicht davon abhalten, diese weiter fortzusetzen.
Davon sprach ich ja auch nicht.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Wenn ich hier in Deutschland einen anderen Menschen beleidige, begehe ich hier in DE eine Straftat nach § 185 StGB.
Es ist dabei völlig egal, ob sich der Beleidigte in Deutschland befindet oder irgendwo sonst aufhältig ist.
Davon ist die Strafwürdigkeit nicht abhängig.
Dass deutsche Gesetze nur für Menschen gelte, "die sich auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befinden," ist nur insofern richtig, als dass die Straftat in Deutschland begangen worden sein muss, sich der Täter zur Tatzeit hier aufgehalten haben muss.
Natürlich hat der Beleidigte, ob in Köln, Paris oder Istanbul, das Recht, diese Straftat in DE anzuzeigen und einen Antrag auf Strafverfolgung zu stellen.
§ 103 StGB ist insofern eine Ausnahme, als hier eine Ermächtigung der Bundesregierung erforderlich ist.
(Wenn nach Erdoğans Antrag auf Strafverfolgung nach § 103 diese Ermächtigung nicht erfolgt, kann sich auch Erdoğan noch immer auf § 185 berufen.)
Hierzu noch ein verspäteter Einwand. Diese Definition greift m.E. zu kurz und fällt hinter Böhmermanns Absicht zurück. Sie träfe zu, wenn er diese Aktion "einfach so" gemacht hätte, weil er eben gerade Bock darauf hatte. Aber es gibt ja den klaren und auch deutlich artikulierten Bezug auf die (ohne jeden Zweifel "legitime") Extra-3-Satire (die E. auch schon verbieten wollte). Nur vor diesem Hintergrund / vor dieser Kontrastfolie macht Böhmermanns Aktion Sinn und ist sie richtig zu verstehen.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Anbei – zur Sektion "Applaus von der falschen Seite" – ein sehr guter und sehr pointierter Kommentar aus "Gärtners Sonntagsfrühstück" in der Titanic, der eine besonders blöde Böhmermann-Verteidigung aus der Süddeutschen Zeitung gebührend abwatscht: https://www.titanic-magazin.de/newst...gsfruehstueck/
Nebenbei arbeitet der Text auch schön heraus, was Jan Böhmermann auch meiner Meinung nach positiv von Harald Schmidt unterscheidet. Wenn hier Worte wie "klassisch moralisch" und "Aufklärer" fallen, dann geht @esiststeffen womöglich auf die Barrikaden. Aber selbstverständlich ist es so, dass gute (also: böse) Satire immer dem Projekt der Aufklärung verpflichtet ist. Und während es richtig ist, dass ein Satiriker nicht "moralisieren" darf (oder, meinetwegen, nicht "politisch korrekt" sein darf – zu dem Begriff könnte ich noch ein weiteres Neben-Fass aufmachen, aber das führte jetzt zu weit ), so stimmt es ebenfalls, dass gute (also: böse) Satire natürlich immer auch einen starken "moralischen" (mir gefällt besser: "ethischen") Impuls hat. Und beides – das Aufklärerische wie das "Moralische" – sehe ich bei Böhmermann, so unterschiedlich ich seine Aktionen im Einzelnen bewerte (das ist das ganze Spektrum von "großartig" bis "grauenhaft") unzweifelhaft vorhanden; auch die Varoufake-Aktion hatte eine unmissverständliche politische Haltung.
Harald Schmidt, dessen Verdienste ums Komische unbestritten seien, ist privat ein katholischer Unternehmer, der vermutlich dieselbe CDU wählt, die sich an ihm nie gestört hat. Mit Dekonstruktion, die alles lustvoll in Zeichen, Referenz und Zwinker auflöst, kann Politik nämlich gut leben; mindestens jene, mit der auch Klute [der SZ-Autor] so gut leben kann. Weshalb Jan Böhmermann, der schon im Fall Varoufakis gezeigt hat, daß er es nicht kann, diesen Fan nicht verdient hat.
Geändert von bates (11.04.2016 um 23:03 Uhr)
Theoretisch können alle Menschen, auch ausländische Staatsbürger, einen Strafantrag stellen, wenn sie in einem geschützen Rechtsgut verletzt werden. Dass 78 Millionen Türken beleidigt wurden ist erst einmal nur eine Behauptung der türkischen Regierung. Selbst wenn die Möglichkeit einer kollektiven Beleidigung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden könnte hätten Anzeigen von Türken kaum Chancen in ein Verfahren einzumünden, denn das Bundesverfassungsgericht hat hier eine Hürde eingebaut. Bei einer Kollektivbeleidigung ist nur dann die Chance auf die Eröffnung eines Verfahrens gegeben, wenn diese Bezug auf eine hinreichend überschaubare und abgrenzbare Personengruppe erkennen lässt (ich glaube das Verfassungsgericht hat sich das erste Mal wegen dem Satz Soldaten sind Mörder" mit diesem Thema beschäftigt und das zu späteren Gelegenheiten noch weiter präzisiert.) An dieser Hürde würden Massenklagen von Türken zerschellen. Maßstab für eine mögliche Strafbarkeit ist eine zumindest relative Individualisierbarkeit einer Kollektivbeleidigung. Subjektives Beleidigtsein ist nicht ausreichend um die Chance eine Klageerhebung zu erzwingen.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
Im konkreten Fall kann ich keine Anhaltspunkte erkennen, dass die Äußerungen Böhmermanns die Voraussetzungen für eine strafrechtlich relevante Kollektivbeleidigung
erfüllen. Er hat schließlich diese Attribute speziell auf Erdogan und z.B. nicht auf die ganze türkische Regierung bezogen.
Durch die neueste Entwicklung hat sich aber nun tatsächlich etwas verändert.
Mit der Verbalnote des türkischen Botschafters wurde die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf Grund des "Schahparagraphen" gefordert und dies ist abhängig von der Zustimmung der Bundesregierung.
Bei Erdogans persönlicher Anzeige wegen Beleidigung ist eine Zustimmung der Regierung nicht mehr erforderlich. Die persönlich Betroffenheit Erdogans ist zweifellos gegeben, da das Schmähgedicht ja explizit an ihn adressiert ist. Wie jedes namentlich genannte Ziel eines Schmähgedichts kann auch Erdogan Anzeige wegen Beleidigung erstatten.
Verstehe ich, akzeptiere ich, finde ich trotzdem scheiße.This quote is hidden because you are ignoring this member. Show Quote
@ Brummell:
Selbstverständlich sind die "78 Mio beleidigten Türken" (also das gesamte Volk) nur eine Behauptung, die für die türkische Regierung typisch ist, das ist doch klar.
Mir ging es aber nicht um "Kollektivklagen", sondern man kann schon davon ausgehen, daß sich viele Erdogan-Anhänger in der Türkei gleich mal mitbeleidigt fühlen, das sind auch Millionen, die genaue Zahl finde ich dabei nicht wichtig.
Ich möchte aber gern nochmals wiederholen:
"Meine Richtigstellungen sollten schon in dem Kontext gesehen werden, wie sie zuvor für eine Argumentation genutzt wurden".
Ansonsten bitte ich um Nachsicht, daß die rein juristischen Aspekte dieser Angelegenheit mich nur insoweit interessieren, wie sie konkret diesen Fall betreffen, und auch das nur am Rande.
Mich interessiert neben der kulturellen vor allem die politische Dimension dieser Angelegenheit.
Danke dir dennoch für deine Erläuterungen, und bin sicher, auch andere Foristen finden deine Einlassungen hilfreich.
@ bates:
Danke für den interessanten "Titanic"-link, kann dem nur zustimmen, wie auch deiner persönlichen Bewertung.
Schon sehr interessant, wer sich da jetzt alles interpretierend zu Wort meldet, und auch die laufenden Diskussionen gehen ja längst darüber hinaus, was "Satire darf" (etc.).
Ich glaube auch nicht, daß es richtig war, sich bei den Themen zuvor auf "off-topic" geeinigt zu haben (Rolle der Medien, selbstverordnete Zensur etc.).
Es ist doch offensichtlich (und zwar von Anfang an), daß dieser "Fall Böhmermann" nur dadurch das derzeitige gewaltige Echo bekommt, gerade weil seine "Schmähkritik" vor dem Hintergrund von "Flüchtlingskrise", "Türkei-Deal", aber auch dem (vorsichtig formuliert) seltsam vergifteten und unergiebigen "gesellschaftlichen Diskurs" zu diesen Themen stattfand. Fast hat man den Eindruck, als habe er da etwas in Bewegung gebracht, als käme da jetzt etwas in Gang.
Ich finde das sehr faszinierend, bezweifele allerdings, daß dieses Böhmermann selbst (als Möglichkeit) so bewußt war, denn die Reaktionen von Erdogan wie auch Merkel waren doch in dieser Form kaum vorherzusehen.
Oder doch? Ist Böhmermann ein "strategisch" denkender Mensch?
Irgendwas in der Art wird er sich wohl vorgestellt haben, aber auch wenn er da eher etwas kleinere Brötchen im Sinn gehabt haben sollte, so verdient er sich doch Respekt.
("Sympathien" müssen es ja nicht gleich sein, bin mir da auch noch nicht ganz klar).
Ich denke aber, das Thema ist dann auch weitgehend "durch".
Das "Dilemma" der Bundesregierung wird uns noch eine Weile beschäftigen, und ich gebe zu, daß mir dieses ausgesprochen gut gefällt, denn es ist weitgehend selbstverschuldet.
Wird aber vermutlich schnell wieder von der medialen Bildfläche verschwinden, zu viele ungelöste Probleme und Dauerkrisen, die in immer kürzeren Abständen zu eskalieren scheinen.
Und all das wird verblassen vor dem Hintergrund des eigentlich und wirklich wichtigen Themas für unser Land:
Das abzusehende oder doch zumindest drohende Auseinanderbrechen Europas und der EU.
Auch darüber müßte man (eigentlich) reden, wie auch über die Rolle, die Deutschland dabei spielt.
Für mich soll es das damit aber erstmal wieder gewesen sein.
Da vorhin die Wortmeldung "Die türkische Regierung liess heute wissen, Herr Böhmermann habe nicht nur Herrn Erdogan beleidigt, sondern "auch 78 Millionen Türken." kam, da hat man wohl zu großzügig aufgerundet.
Meint man doch eher seine Wählerschaft.
Nichtsdestotrotz, in diesem Kontext fragen muss man sich, wie hat man denn damals hierzulande empfunden/reagiert als Demonstranten in Griechenland solch Plakate hielten? Als man sozusagen den Griechen das sparen lehren wollte. Man war empört! Die Bilder gingen um die ganze Welt. Muss man sich denn gegenseitig so ankotzen wenn man miteinander leben will? Es war in Griechenland nur eine Minderheit die solche Plakate hielten (zumindest wurde das so berichtet).
Aber es schürt Hass zwischen Bevölkerungsgruppen die am ende eigentlich nichts dafür können.
Darum kann ich bis dato nichts finden was Herr Böhmermann gutes bezwecken wollte außer Aufmerksamkeit auf seine Person zu erzeugen. Ändern tut sich dadurch in der Türkei nichts.
http://www.n-tv.de/politik/Schaeuble...e11016266.html
http://www.handelsblatt.com/politik/international/athen-tsipras-und-europas-linke-erfolg-mit-dem-feindbild-merkel/11308716-2.html
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Geändert von cue (12.04.2016 um 02:50 Uhr)
Noch 2 lesenswerte Artikel zum Thema.
Der hier befasst sich eher mit dem Phänomen Böhmermann.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleto...ue#pageIndex_2
Und der mit der verfassungsrechtlichen Dimension
http://verfassungsblog.de/erlaubte-s...n-boehmermann/
Ein bemerkenswert lesenswerter Kommentar auf "SPON" (Stefan Kuzmany):
http://www.spiegel.de/politik/deutsc...a-1086553.html
Böhmermann alles andere als ein Gewinner und auch nur noch eine Nebenfigur, und Merkel mit dem einen Fehler zu viel, am Ende ihrer Kanzlerschaft.
Ein sehr differenzierter und plausibler Kommentar, spiegelt auch sehr meine persönliche Sicht der Dinge.
(Bei aller verdienten Schelte, ist ja nicht so, daß man auf "Spiegel online" nicht auch immer noch "Perlen" findet, und daß es nicht lohnen würde auch regelmäßig nach diesen Ausschau zu halten)