Zitat von
Economist
Nachdem ich mich anderthalb Stunden durch diesen sehr lebhaften Thread "durchgearbeitet" habe (und natürlich die Sendung gesehen habe), darf ich mal ganz unaufgeregt meinen Input dazugeben.
Ich habe Muenzis Post zitiert wegen dieser zentralen Aussage (die schon vorher von Walter kam), "Lena ist nicht dazu da, unsere Ansprüche zu erfüllen". Wohl wahr, aber Lena darf an ihren eigenen Ansprüchen gemessen werden.
Ich habe mich gefragt, warum Lena in jüngster Zeit (das mit dem Fuß-Tattoo ist nur das prägnanteste Beispiel) in manchen Interviews Dinge abstreitet, die sie in anderen erwähnt oder bestätigt hat. Ich habe Lena unter anderem immer für die Konsequenz bewundert, mit der sie eine einmal verfolgte Linie durchzieht, insbesondere auf ihr Privatleben bezogen. Und ich fand auch immer gut, wenn sie dann durch Antworten wie "Nöööt" oder durch offenbare Ironie sich einer wirklichen Beantwortung ihr als unangemessen erscheinender Fragen entzog.
Nur: Es hat eine andere Qualität, wenn sie beispielsweise auf Gottschalks konkrete Benennung der Worte ihres Fußtattoos mit der (wie wir Fans wissen) unwahren Behauptung reagiert, es handele sich bei diesem Tattoo um einen Frosch. Das ist keine Ironie mehr, denn nach meinem Verständnis muß eine falsche Behauptung auch dem Uneingeweihten als unernst erkennbar sein, um als Ironie zu gelten. Man kann von Gottschalk halten, was man will - und es hätten sich weiß Gott (no pun intended!) intelligentere Fragen angeboten - aber Lena hat es doch eigentlich nicht nötig, durch so etwas Gottschalk unprofessionell aussehen zu lassen (daß er sich auf die heutige Sendung wirklich nicht so gut vorbereitet zu haben scheint, steht auf einem anderen Blatt). Da vermisse ich den Respekt, den sie sonst gegenüber anderen Menschen zeigt und den sie deswegen auch von anderen einfordern kann.
Interessanterweise hat Lena im (sehr sehenswerten!) Interview direkt vor der Sendung (youtube.com/watch?v=X5yqXhVQmxk) sich ganz anders verhalten, nämlich so, wie wir sie lieben: oft spontan, witzig, und etwas unberechenbar, aber immer auch bereit, ernsthafte Antworten auf ernstgemeinte Fragen zu geben. Das lag natürlich vor allem an der kompetenten und gleichzeitig lockeren Gesprächsführung der Interviewerin (ich kenne ihren Namen nicht).
Lena läßt sich in ihrem Verhalten in Interviewsituationen also stark davon leiten, ob die Chemie zu dem Frager stimmt oder eben nicht. Das ist ihr gutes Recht, nur denke ich, das es gar nicht NOTWENDIG ist, wenn die Chemie eben nicht passt, dem durch Patzigkeit oder gar Unwahrheiten zu begegnen. Sie hat so viele Ausdrucksmöglichkeiten - vielfach in früheren Interviews bewiesen - um auf CHARMANTE Art ihr nicht passende Fragen ins Leere laufen zu lassen (Ablenken vom Thema, Stimme verstellen, offensichtlichen Quatsch machen), daß sie es gar nicht nötig hat, etwas glatt abzustreiten, obwohl es stimmt.
Ob dieses Argument der Vorbildfunktion für Kinder bei der Tattoofrage wirklich eine Rolle in Lenas Gedanken gespielt hat? Das bleibt spekulativ. Keineswegs spekulativ ist aber, daß für jugendliche Fans, die z.B. über das Internet von der Sache mit dem Fußtattoo im Zeitmagazin erfahren haben, eine Lena, die das vor einem Millionenpublikum einer Samstagabendshow abstreitet, kein gutes Vorbild abgibt. Wenn ich als Elternteil zu wählen hätte, ob es mir wichtiger wäre, ob mein Kind tattoofrei durchs Leben geht oder ob es sich glaubwürdig verhält und damit Vertrauen bei anderen Menschen erwirbt, dann entscheide ich mich natürlich für Letzteres.
Es geht also für mich nicht darum, ob Lena "unangepasst" sein darf oder nicht. Da habe ich als Fan ihr nicht dreinzureden und einen solchen Anspruch würde ich nie erheben. Aber man darf mit "Unangepasstheit" auch nun nicht jedes widersprüchliche Verhalten Lenas rechtfertigen, zumal es ja durchaus Alternativen gibt, wie oben dargelegt. Maßstab ist für mich letztendlich das, was Lena selber in der Vergangenheit zu ihren Wertvorstellungen gesagt hat und auch wie sich das in ihrem Handeln manifestiert hat. Und da ist eben das eine oder andere in den letzten Wochen nicht mehr so recht damit zu vereinbaren.
Daher meine ich, daß Lenas Verhalten in bezug auf das Fußtattoo eben keine belanglose Kleinigkeit ist, sondern schon ein Hinweis darauf, daß die Gefahr besteht, daß Lena sich durch den permanenten Druck der Medien etwas von ihrem bisherigen Selbstverständnis entfernt. Zwar ist der gutgemeinte Rat "Bleib so wie Du bist" im engeren Sinn natürlich illusorisch - Lena selbst hat kürzlich auf die permanente Veränderung hingewiesen, die jeder Mensch erfährt - aber der Kern an Werten und Überzeugungen sollte nicht wandelbar sein. Es würde mich betrüben, wenn Lena für sich selbst festgestellt haben sollte, daß sie sich manchmal vor den Zumutungen des öffentlichen Interesses nur noch dadurch schützen könne, daß sie nicht nur abblockt sondern auch die Unwahrheit sagt - und dadurch eben nicht mehr "ganz sie selbst" sein kann. Ich könnte ihre Beweggründe durchaus nachvollziehen, aber ein wenig "Verrat" an den eigenen Prinzipien ist es halt trotzdem. Ich würde nicht mit ihr tauschen wollen, denn ich bin überzeugt, daß es mir in ihrer Lage kaum anders gehen würde.