Dieser Thread soll sich mit der Frage beschäftigen: Was wäre das "ideale" Wertungssystem für den ESC? Wie sollten die Punkte ermittelt und verteilt werden? Wie sollten die Ergebnisse dem Zuschauer präsentiert werden? Was ist an den bislang verwendeten Systemen gut, was verbesserungswürdig?


Zunächst mal: Ich finde das seit 2009 praktizierte Grundprinzip, das Ergebnis zu je 50% über Jurystimmen und Televoting zu ermitteln, erst mal ziemlich sinnvoll und gut. Wenn wir an die 2000er zurückdenken, wo man nach und nach immer stärker auf das Televoting gesetzt hat, dann hatte man oft den Eindruck, dass entweder nur nach nationaler Sympathie gewählt wurde oder aber der ausgefallenste Beitrag von den Zuschauern goutiert wurde – und siehe da, in jenen Jahren gewannen fast ausschließlich ost- und südosteuropäische Länder, unterbrochen von Lordi. Das soll nicht heißen, dass ich zwischen "reines Televoting" und "osteuropäische Dominanz" einen kausalen Zusammenhang herstellen möchte, immerhin sind östliche Länder auch heute noch fast immer weit vorn mit dabei; aber Fakt ist nun mal, dass der ESC seiit 2009 nur noch zwei Mal in den Osten gegangen ist, nach Aserbaidschan und in die Ukraine. Und generell würde ich sagen, dass seitdem in der Regel auch der hochwertigste Beitrag gewonnen hat und nicht nur der ausgefallenste und/oder exotischste. Inwieweit vorher (außer Lordi, bei denen ich mir tatsächlich nicht vorstellen kann, dass sie bei einem 50-%-Juryvoting gewonnen hätten) möglicherweise jemand auf eher unerwartete Weise gewonnen hat, möchte ich nicht beurteilen; aber an irgendwas muss die Rückkehr des Westens ja liegen ....


Nun aber haben wir letztes Jahr die vielleicht radikalste Änderung im Abstimmverfahren seit 1975 erlebt: dass nun nicht mehr jedes Land einmal 12, 10, 8,... Punkte verteilt, sondern zweimal, jeweils nach Jury- und Zuschauerergebnis getrennt. Und naja, ich bin, was dieses Prozedere angeht, auch nach der zweiten Auflage nach wie vor stark im Zwiespalt. Einerseits kann es durchaus seinen Reiz haben, wenn der Sieger bis in die letzten Minuten nicht eindeutig feststeht (was ja im vorherigen System jahrelang eher selten der Fall war) – aber andererseits, gerade das scheinbar endlose Punkteverteilen hatte für mich auch immer seinen ganz eigenen Reiz, dass es für mich sogar immer den eigentlichen Höhepunkt der Show ausmachte. Nachdem nun aus jedem Land nur noch die Jurypunkte eingeblendet und allein das Höchstergebnis verlesen wird, geht das alles so schnell, dass man z.B. kaum noch Zeit hat, selber mitzurechnen, wie viele Punkte z.B. Land X noch bräuchte, um Land Y zu überholen und Platz Z zu erreichen. Und dass dann in den letzten Minuten des Votings einfach eine Menge nichtssagende Zahlen von den Moderatoren runtergerattert werden, die das ganze Scoreboard noch mal komplett durchwürfeln, hat auch irgendwo etwas schon beinahe Gespenstisches. Ich weiß aber auch nicht recht, wie man das ggf. anders gestalten könnte, ohne dass man die Show auf (mindestens) noch eine weitere Stunde ausdehnt ....


Also, gibt es hier irgendwelche Ideen und Vorschläge? Eine gänzliche Abkehr vom Zwölf-Punkte-System (dass für mich eine ebenso große ESC-Tradition darstellt wie der Brauch, den Wettbewerb im letztjährigen Siegerland auszurichten, dass ich mir bis 2016 im Leben nicht hätte vorstellen können, dass die EBU das überhaupt jemals aufweichen würde )? Oder zumindest ein paar geringe Modifikationen, wie z.B. nur noch die Finalisten mit abstimmen zu lassen? Oder was ganz anderes?